Moskau/Kiew/Washington, 18. Feb (Reuters) – Die Konfliktparteien in der Ost-Ukraine werfen sich gegenseitig erneute Verstöße gegen die Waffenruhe vor. Die Regierung in Kiew meldete am Freitag weitere Rebellenangriffe, während prorussische Aufständische Medienberichten zufolge in Donezk und Luhansk abermals unter Granaten- und Artilleriebeschuss gerieten. Unter anderem sei ein Dorf angegriffen worden. Die Berichte über die anhaltende Gewalt haben Befürchtungen vor einem Einmarsch Russlands geschürt, das in der Nähe der Grenzen zur Ukraine mehr als 100.000 Soldaten zusammengezogen hat.
Zwar meldeten russische Medien den Abzug einiger Infanterieeinheiten und Panzer. Im Westen sieht man aber weiter das Potenzial für eine Invasion. US-Präsident Joe Biden lud nach kanadischen Angaben die Spitzen der Nato, der EU sowie die Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Italien, Polen, Rumänien, Großbritannien, Frankreich und Kanada zu einer Schalte im Laufe des Tages ein.
Die weitere Entwicklung an der ukrainischen Grenze sei völlig offen, sagte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian dem TV-Sender LCI. „Alles ist möglich, sowohl eine massive Invasion russischer Kräfte auf ukrainischem Territorium als auch die diplomatischen Gespräche, die wir seit langer Zeit fordern.“
Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksii Resnikow sagte, die Wahrscheinlichkeit einer „großangelegten Eskalation“ schätze er als niedrig ein. Die ukrainischen Geheimdienste sähen „jede Bewegung, die eine potenzielle Bedrohung für die Ukraine darstellten könnte“. Er fügte hinzu, Russland habe inzwischen etwa 149.000 Soldaten rund um die Ukraine zusammengezogen und Tausende weitere würden in Kürze erwartet.
Auch die Münchner Sicherheitskonferenz dürfte sich in erster Linie um den Konflikt drehen. Erwartet werden unter anderem US-Vizepräsidentin Kamala Harris und US-Außenminister Antony Blinken. Es ist die schwerste Sicherheitskrise in Europa seit Jahrzehnten. Der Konflikt in der Ost-Ukraine hält seit Jahren an, Verstöße gegen den Waffenstillstand gibt es regelmäßig. Doch diese Woche hat die Intensität der Kämpfe offenbar deutlich zugenommen.
Das russische Präsidialamt äußerte sich am Donnerstag „zutiefst besorgt“. US-Präsident Joe Biden wiederum warf Russland vor, einen Vorwand schaffen zu wollen, um einen möglichen Angriff auf die Ukraine zu rechtfertigen. Seit Wochen laufen internationale diplomatische Bemühungen um eine Entschärfung der Krise auf Hochtouren. Noch am Freitag wollten die Verteidigungsminister Russlands und der USA, Sergej Schoigu und Lloyd Austin, miteinander telefonieren, wie die Agentur Interfax meldete. Für Ende kommender Woche ist zudem nach US-Angaben ein Treffen von Blinken und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow geplant.
Für etwas Entspannung sorgte kürzlich Russlands Ankündigung eines Teil-Abzugs seiner Soldaten. Flankiert wurden diese Meldungen aber von den Berichten über eine Verschärfung der Kämpfe in der Ost-Ukraine. Von Donnerstag bis Freitag sei innerhalb von 24 Stunden 60 Mal gegen die Waffenruhe verstoßen worden, teilte das ukrainische Militär mit. Ein Soldat sei verletzt worden.
Den Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze begründet Russland letztlich mit der Forderung nach Sicherheitsgarantien. Moskau will unter anderem eine Zusage, dass sich die Nato nicht weiter nach Osten ausdehnt und die Ukraine in das Bündnis nicht aufgenommen wird. Die Nato lehnt das ab.
Berichte über neue Kämpfe in Ost-Ukraine – Biden lädt zu Krisengipfel
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