Berlin, 02. Mrz – Die Inflation in der Euro-Zone erweist sich als überraschend hartnäckig. Im Februar kletterten die Verbraucherpreise binnen Jahresfrist um 8,5 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Donnerstag in einer Schnellschätzung mitteilte. Von Reuters befragte Volkswirte hatten mit einem stärkeren Rückgang auf 8,2 Prozent gerechnet, nach einer Teuerungsrate von 8,6 Prozent im Januar. Ökonomen sagten in ersten Reaktionen:
JÖRG ANGELE, BANTLEON:
„Die heute vorgelegten Zahlen bestätigen unsere Einschätzung eines stärkeren unterliegenden Preisauftriebs als Ende 2022 angenommen. Wir haben unsere Prognose für die Kerninflationsrate angepasst und rechnen nun mit einem Anstieg um 4,9 Prozent im Jahresdurchschnitt 2023 statt wie bisher mit 4,5 Prozent. Die Gesamtinflationsrate wird ihren Abwärtstrend demgegenüber auch in den kommenden Monaten fortsetzen. Im laufenden Monat zeichnet sich ein Rückgang auf gut 7,0 Prozent ab. Wir gehen unverändert davon aus, dass die Teuerungsrate im Sommer bei etwa 5,0 Prozent liegen wird und im vierten Quartal auf Werte zwischen 2,5 Prozent und 3,0 Prozent sinkt.“
FRITZI KÖHLER-GEIB, KFW-CHEFVOLKSWIRTIN:
„Zwar liegt das Schlimmste bei der Teuerung wohl hinter uns, nachdem das warme Winterwetter mit einer Beruhigung bei den Energiepreisen einhergegangen ist. Gleichwohl verharrt die Kernrate bei weiter deutlich über fünf Prozent. Dies ähnelt dem beunruhigenden Bild aus den USA. Bei Waren- und Dienstleistungspreisen gibt es weiter Druck nach oben. Von Entwarnung zu sprechen, wäre hier fehl am Platz.
Das bedeutet: Auch über die Sitzung am 16. März hinaus, wo eine weitere Anhebung um 50 Basispunkte als ausgemacht gilt, sind weitere Zinsschritte möglich und nötig. Erschwert wird die Debatte über das richtige geldpolitische Tempo von der Konjunktur: Hier zeigen sich die Auswirkungen der restriktiveren Geldpolitik mittlerweile deutlich: Je stärker das Kreditwachstum zurückgeht, umso wahrscheinlicher ist es, dass die Haushalte sich auch bei ihren Einkäufen zurückhalten werden.“
ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE:
„Das Ergebnis ist ein Rückschlag für bisherige Inflationshoffnungen. Die Inflationsrate ist weniger stark gesunken als vor einigen Wochen noch erhofft. Energiepreise runter, alles andere rauf, dadurch ist der Rückgang der Inflationsrate ausgebremst worden. Der Inflationsblick bleibt dennoch abwärtsgerichtet, zumal im März ein dicker Basiseffekt bevorsteht. In der Tendenz werden die Energiepreise den Inflationsdruck fortan eher senken, die Kerninflation aber dagegen halten. Wegen der hohen Kerninflation wird der Zinserhöhungselan der EZB wohl über März hinaus hoch bleiben.“
THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:
„Die Inflationsdruck bleibt hoch. Trotz der vor einem Jahr mit Kriegsausbruch gestiegenen Energiepreise und des damit einsetzenden Basseffekts fällt die Teuerungsrate nur leicht. Das erschreckt. Der Dienstleistungssektor wälzt gestiegene Energie- und Personalkosten auf die Produkte über. Dies zeigen erste Details aus Frankreich und aus den deutschen Bundesländern. Nach wie vor gehören aber auch Lebensmittelpreise zu den Inflationstreibern.
Dass sich das ‚Inflationsproblem‘ immer mehr in Richtung Dienstleistungen verschiebt, zeigt die Entwicklung der Kerninflationsrate. Letztere legt im Februar kräftig zu. Das ist für die EZB ein Alarmsignal, denn damit erweist sich die Inflation als hartnäckiger.“
JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:
„Zwar ist die Inflation im Euroraum im Februar leicht gesunken. Aber ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie, Nahrungs- und Genussmittel legte die Teuerung deutlich von 5,3 auf 5,6 Prozent zu. Das neue Allzeithoch bei der Kerninflation dürfte bei der EZB Sorgenfalten auslösen – zumal die langfristigen Inflationserwartungen der Bürger deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der Notenbank liegen. Die EZB-Leitzinsen sind trotz der bisherigen Anhebungen noch viel zu niedrig.“
Ökonomen zur unerwartet hohen Inflation im Euroraum
Quelle: Reuters
Symbolfoto:
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