06. Nov – Entschädigung für die Folgen des Klimawandels dürfte das wichtigste Thema auf der UN-Klimakonferenz COP27 werden, die am Sonntag im ägyptischen Scharm el-Scheich begonnen hat. Die zentrale Frage der Beratungen der fast 200 Staaten lautet, ob reiche Länder Entschädigung an die Staaten zahlen sollen, die von den Auswirkungen des Klimawandels besonders stark betroffen sind. Die bis 18. November dauernde Konferenz der Vereinten Nationen (UN) folgt auf ein Jahr voller Naturkatastrophen – von den Überschwemmungen in Pakistan, bei denen mehr als 1700 Menschen ums Leben kamen, bis hin zu Dürren in China, Afrika und im Westen der USA. Das hat in den Entwicklungsländern die Forderung nach einem besonderen „Loss and Damage“-Fonds verstärkt.
WAS IST „LOSS AND DAMAGE“?
In den UN-Klimaverhandlungen bezieht sich der Ausdruck, der wörtlich übersetzt „Verlust und Schaden“ lautet, auf Kosten, die bereits durch klimabedingte Wetterextreme und Auswirkungen wie den Anstieg des Meeresspiegels entstanden sind.
Bislang wurden finanzielle Mittel vor allem eingesetzt, um die Kohlendioxidemissionen zu verringern und den Klimawandel einzudämmen. So floss etwa ein Drittel des Geldes in Projekte, die Gemeinden helfen sollen, sich an zukünftige Auswirkungen anzupassen.
Die Finanzierung von Verlusten und Schäden wäre etwas völlig anderes. Hier würden Kosten kompensiert, die Länder nicht vermeiden oder an die sie sich nicht anpassen können. Allerdings gibt es noch keine Einigung darüber, was bei Klimakatastrophen als „Verlust und Schaden“ gelten soll. Das kann beschädigte Infrastruktur und Eigentum ebenso umfassen wie nur schwer zu bewertende Kulturgüter, Grabstätten und Ökosysteme.
Ein Bericht vom Juni aus 55 gefährdeten Ländern schätzt ihre kombinierten klimabedingten Verluste in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf etwa 525 Milliarden Dollar – das sind rund 20 Prozent ihres gemeinsamen Bruttoinlandprodukts (BIP). Einige Untersuchungen legen nahe, dass solche Verluste bis zum Jahr 2030 auf 580 Milliarden Dollar anwachsen könnten.
WER ZAHLT? UND WIE?
Diese Fragen sind äußerst umstritten. Gefährdete Länder und Umweltschutzorganisationen argumentieren, dass reiche Länder, die mit ihren historischen Emissionen den größten Teil des Klimawandels verursacht haben, jetzt zahlen sollten. Die USA und die Europäische Union haben dem Argument widersprochen. Sie befürchten eine Spirale der Verpflichtungen.
Wenn die Länder sich bereiterklären, einen Fonds einzurichten, müssten sie Details festlegen wie zum Beispiel: Woher soll das Geld kommen? Wie viel sollen wohlhabende Länder zahlen? Welche Länder haben Anspruch auf Entschädigung? Und für welche Katastrophen?
EU und USA hatten bei den UN-Klimagesprächen im vergangenen Jahr einen Vorschlag zur Einrichtung eines Fonds blockiert und sich stattdessen auf einen „Dialog“ verständigt – allerdings ohne ein klares endgültiges Ziel. Im vergangenen Monat haben sie mehr Offenheit signalisiert, eine Kompensation zu diskutieren. Jedoch zeigten sie sich bezüglich der Einrichtung eines Fonds sehr zurückhaltend.
Nur wenige Regierungen und Regionen haben kleine, symbolische Finanzierungszusagen für Verluste und Schäden gemacht, so Dänemark, Schottland und die belgische Region Wallonien. Zudem werden einige Mittel der UN und der Entwicklungsbanken für Staaten verwendet, die mit klimabedingten Verlusten und Schäden konfrontiert sind, obwohl das Geld nicht für dieses Ziel vorgesehen ist.
WAS GESCHIEHT BEI DER KONFERENZ COP27?
Entwicklungsländer haben vorgeschlagen, das Thema „Verlust und Schaden“ auf die Tagesordnung des Gipfels zu setzen. Dem stimmten die Delegierten zum Auftakt ihrer Konferenz zu.
Enttäuscht wegen der Schwierigkeiten und Verzögerungen bei der Sicherung der Klimaschutzfinanzierung fordern Entwicklungs- und Schwellenländer nun gemeinsam die Einrichtung eines Verlust- und Schadenfonds auf der COP27. Unter diesen Ländern sind besonders betroffene Inselstaaten wie die Malediven und Jamaika – aber auch China. Die Volksrepublik ist selbst der größte CO2-Emittent der Welt. In der EU gibt es daher Forderungen, dass China – immerhin die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft – selbst Mittel bereitstellen sollte, anstatt sie zu fordern.
Die Länder haben unterschiedliche Vorschläge gemacht, wie der Fonds aussehen sollte. Selbst wenn sich die COP27 auf die Gründung eines Fonds einigt, könnte es noch Jahre dauern, bis sie bereit ist, Geld zu verteilen.
Einige Diplomaten haben vorgeschlagen, statt eines zentralen Fonds ein „Mosaik“ von Finanzierungsquellen zu organisieren. Ein weiterer Vorschlag der Allianz der kleinen Inselstaaten sieht vor, dass die COP27 zustimmt, einen von den UN verwalteten „Reaktionsfonds“ zu bilden, um Geld aus verschiedenen Quellen für Länder zu sammeln, die von Katastrophen betroffen sind.
Die EU hat vorgeschlagen, bestehende internationale Fonds zur Bekämpfung von Verlusten und Schäden zu nutzen, anstatt einen neuen aufzulegen.
WAS GESCHIEHT, WENN COP27 DAS THEMA NICHT VORANBRINGT?
Einige Länder suchen bereits nach anderen Wegen. Die V20-Gruppe aus 58 gefährdeten Ländern und die Gruppe der sieben reichen Nationen planen, auf der COP27 eine Initiative namens „Global Shield“ zu starten. Sie zielt darauf ab, die Finanzierung von Versicherungen und Katastrophenschutz zu stärken.
Besonders gefährdete Länder bemühen sich um Beiträge für eine Piloteinrichtung zur Finanzierung von Verlusten und Schäden. Es gibt Forderungen wie die von UN-Generalsekretär Antonio Guterres nach einer Übergewinnsteuer für Unternehmen, die fossile Brennstoffe beschaffen, um so Mittel für den Klimaschutz zu beschaffen.
Der pazifische Inselstaat Vanuatu hat den Internationalen Gerichtshof gebeten, eine Einschätzung zum Recht auf Schutz vor negativen Klimaauswirkungen abzugeben. Ein Gutachten des höchsten Gerichts der Welt könnte moralische Autorität und rechtliches Gewicht haben und Forderungen nach Entschädigung armer Nationen stützen.
Entschädigung zentrales Thema auf UN-Klimakonferenz COP27
Quelle: Reuters
Titelfoto: Bild von 995645 auf Pixabay
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