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100 Banken, 1000 Beschuldigte – Ohne sie hätte es Cum-Ex nicht gegeben

Frankfurt, 17. Aug (Reuters) – Bundeskanzler Olaf Scholz wird am Freitag zum zweiten Mal dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Hamburg über seine Kontakte zum Chef der Warburg Bank Rede und Antwort stehen. Die Hamburger Bürgerschaft will klären, warum die Finanzbehörde der Hansestadt während Scholz‘ Zeit als Erster Bürgermeister bereit war, Steueransprüche gegenüber der Warburg Bank verjähren zu lassen. Das Institut war in die Cum-Ex-Affäre verwickelt, die als einer der größten Steuerskandale in der Geschichte der Bundesrepublik gilt. Die Gesetzeslücke, die die umstrittenen Dividendengeschäfte ermöglichte, wurde zwar schon vor zehn Jahren geschlossen. Doch die Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals und die Rückholung der erbeuteten Steuergelder von Banken und Investoren ist noch im vollen Gange. 

WORUM GEHT ES BEIM CUM-EX-SKANDAL? 

Mit den sogenannten Cum-Ex-Aktientransaktionen konnten sich Investoren eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden vom Finanzamt mehrfach erstatten lassen. Dazu verschoben sie um den Stichtag für die Auszahlung der Dividende herum untereinander Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch. Der Schaden für den Fiskus geht in die Milliarden. 

WELCHE ROLLE ÜBERNAHMEN DIE BANKEN?

„Ohne Banken hätte es keine Cum-Ex-Geschäfte geben können,“ sagt Christoph Spengel, Professor für Internationale Besteuerung an der Universität Mannheim. „Alle, die daran beteiligt waren, wussten, worum es ging.“

Die Banken nahmen an den Geschäften in unterschiedlichen Rollen teil und verdienten dabei Provisionen: Sie wickelten Transaktionen ab, warben Investoren an und stellten ihnen Kredite zur Verfügung.

WIE VERBREITET WAR CUM-EX IM BANKENSEKTOR?

Ob private Geldhäuser, Landesbanken oder Sparkassen – steuergetriebene Aktiengeschäfte waren in der Branche verbreitet. Das belegen auch die Zahlen, die 2021 das Bundesfinanzministerium (BMF) veröffentlichte. Demnach ermittelten deutsche Behörden damals gegen 100 Banken und über 1000 Beschuldigte auf vier Kontinenten. Wiederholt sorgten Steuerrazzien etwa bei der Deutschen BankDBKGn.DE, der US-Investmentbank Morgan StanleyMS.N oder der Genossenschaftsbank Sparda für Aufmerksamkeit. 

„Wir haben keinen vollständigen Überblick, welche Banken genau in welcher Rolle mit Cum-Ex in Berührung kamen“, sagt Gerhard Schick, Vorsitzender der Organisation Finanzwende. „Hinzu kommt, dass bei den ebenfalls als illegal bezeichneten Cum-Cum-Geschäften sogar Volksbanken und Sparkassen verwickelt sind.“ Schick war 2016-17 Obmann der Grünen im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Bundestags.

WIE HOCH IST DER SCHADEN FÜR DIE STEUERZAHLER?

Die Schätzungen von Experten und Behörden zu den Steuerschaden gehen weit auseinander. Banken und Investoren schuldeten 3,9 Milliarden Euro an Steuergelder bis Ende 2020, wie das BMF mitteilte. Davon seien 1,8 Milliarden Euro zurückgeholt. Doch die Zahl dürfte heute höher sein. Das BMF hatte die Rückzahlungen zuletzt zum Ende Dezember 2020 ausgewertet.

In Hessen, wo die meisten Finanzinstitute ihren Hauptsitz haben, holten Finanzbehörden bis heute 285 Millionen Euro von Geldhäusern zurück. Den Gesamtschaden durch Cum-Ex schätzt das Hessische Landesfinanzministerium aktuell auf 527 Millionen Euro bei 30 betroffenen Banken.

Das Bayerische Finanzministerium stellte einen viel höheren Steuerschaden von 746 Millionen Euro fest – bei sieben Finanzinstituten. Davon zahlten die Geldhäuser 347 Millionen Euro an die bayerische Staatskasse zurück.

Experten gehen davon aus, dass der Gesamtschaden für Steuerzahler in Deutschland bei zehn Milliarden Euro liegt. Steuerprofessor Spengel hatte für den Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Bundestages die Leerverkäufe bei der Deutsche-Börse-Tochter Clearstream ausgewertet und kam anhand dieser Daten auf eine erste Schätzung von 7,1 Milliarden Euro. Diese Zahl sei aber die absolute Untergrenze. „Wenn wir die presseöffentlichen Forderungen an Banken zusammenrechnen, kommen wir auf etwa zehn Milliarden Euro“, sagt Spengel, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des BMF.

WIE GEHT ES FÜR DIE BETROFFENEN BANKEN WEITER?

Die juristische Aufarbeitung liegt federführend bei der Staatsanwaltschaft Köln. Aktuell stehen 50 Banken und Finanzinstitute im Visier der Behörde. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen zehn Banken, sieben davon sind deutsche Geldhäuser.

Solange ermittelt wird, werden die Ansprüche auf Steuerrückzahlungen nicht verjähren, sagt Spengel. „Die bisherigen Urteile zeigen, dass die Geldhäuser nicht nur mit Rückzahlungen, sondern ihre involvierten Mitarbeiter mit hohen Gefängnisstrafen rechnen können“, erklärt der Professor. Die Warburg Bank zahlte 176 Millionen Euro an das Finanzamt Hamburg zurück. Das Landgericht Bonn verurteilte außerdem einen ehemaligen Mitarbeiter zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen Steuerhinterziehung.

100 Banken, 1000 Beschuldigte – Ohne sie hätte es Cum-Ex nicht gegeben

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Titelfoto: Symbolfoto

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