Frankfurt, 05. Mai (Reuters) – Die US-Notenbank konnte mit ihrem Zinsmanöver die Nerven der Aktienanleger nur vorübergehend beruhigen. Im Sog eines Ausverkaufs an der Wall Street nutzten Anleger in Europa am Donnerstag anfängliche Kursgewinne zum Ausstieg. Dax und EuroStoxx50 landeten am Ende des Handelstages im Minus: der deutsche Leitindex fiel um rund 0,5 Prozent auf 13.902 Punkte, sein europäisches Pendant gab 0,8 Prozent nach. Grafik: AgenaTrader, Download der Grafik.
Die US-Börsen, die am Mittwoch mit einer Kursrally auf die Zinsentscheidung der Notenbank reagiert hatten, lagen zum Handelsschluss in Europa stark im Minus. Vor allem Technologiewerte gerieten unter die Räder, der Nasdaq-Index verlor knapp fünf Prozent. „Ich würde sagen, dass die Märkte der Fed ihre Zurückhaltung nicht abkaufen“, sagte Callie Cox, US-Investmentanalystin beim Broker eToro.
Notenbank-Chef Jerome Powell hatte nach der Zinserhöhung um 50 Basispunkte weitere Anhebungen im größeren Stil von 75 Basispunkten vorerst ausgeschlossen. Doch einige Fed-Mitglieder hätten bereits darauf gepocht, dass die Zinsen schneller steigen müssten und das sofort, sagte Cox. „Es macht also Sinn, dass die Anleger an diesen Ort der Angst zurückkehren, dass die Fed viel mehr tun könnte, als sie sich vorgestellt hatten, um die Inflation geldpolitisch zu bekämpfen.“
Dem US-Dollar gab diese Sichtweise Auftrieb: der Dollar-Index stieg um 1,3 Prozent auf 103,88 Punkte. Der Euro rutschte unter die Marke von 1,05 Dollar und nähertes sich seinem Ende April erreichten Fünf-Jahrestief von 1,0470 Dollar an. Anleger rätseln, wann die Europäische Zentralbank dem Beispiel der Fed folgen und ebenfalls die Zinswende einleiten könnte.
AUCH BANK OF ENGLAND HEBT ZINSEN IM KAMPF GEGEN INFLATION
Auch die Bank of England stemmte sich gegen den Preisdruck und hob die Zinsen um einen Viertel Punkt auf 1,0 Prozent an. Die Entscheidung fiel allerdings nicht einstimmig: Drei Währungshüter hatten vergeblich einen noch größeren Schritt auf 1,25 Prozent gewünscht. Das seien aber weniger Befürworter gewesen, als von den Marktteilnehmern erhofft, sagte Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. Das Pfund Sterling geriet deswegen unter Druck und fiel um mehr als zwei Prozent auf 1,2331 Dollar.
Die rasant steigenden Preise erhöhen den Handlungsdruck auf die Notenbanken. Befeuert wird die Inflation unter anderem durch neue Energiepreisschübe infolge des Ukraine-Krieges. Nordsee-Öl der Sorte BrentLCoc1 notierte am Donnerstag allerdings 0,7 Prozent tiefer bei 109,50 Dollar je Fass. Die „Opec+“, zu der neben den Mitgliedern des Exportkartells weitere Förderländer wie Russland gehören, einigte sich Insidern zufolge auf eine Anhebung der Quoten um weitere 432.000 Barrel pro Tag.
AIRBUS STARTEN DURCH – ZALANDO AUF ZWEI-JAHRES-TIEF
Neben den Notenbanken hielten Firmenbilanzen die Anleger auf Trab. Die Aktien des Flugzeugbauers AirbusAIRG.DEsetzten sich mit einem Plus von zeitweise 6,1 Prozent an die Dax-Spitze. Der operative Gewinnsprung von 82 Prozent sei eine eindeutige Überraschung gewesen, sagte ein Händler.
Für Enttäuschung sorgte dagegen der Online-Modehändler Zalando, der erstmals seit der Firmengründung vor 14 Jahren einen Umsatzrückgang hinnehmen musste. Die Tage deutlichen Wachstums dürften erst einmal vorbei sein, sagte ein Händler. Die Aktien verloren 10,6 Prozent.
Europaweit flogen Finanzwerte aus den Depots. Der Branchenindex gab 1,9 Prozent nach. An der Mailänder Börse waren UniCredit hingegen begehrt. Dank eines Bekenntnisses zum geplanten milliardenschweren Aktienrückkauf sahen die Anleger über den Gewinneinbruch hinweg. Die Aktien der Großbank stiegen um rund zwei Prozent.
Börsen im Minus – Fed kann Zinsängste nicht beseitigen
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Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.