Frankfurt, 04. Mai (Reuters) – An Europas Aktienmärkten halten sich die Anleger vor der erwarteten Zinserhöhung der US-Notenbank mit Aktienkäufen zurück. Der Dax gab am Mittwoch 0,2 Prozent auf 14.009 Punkte nach. Der EuroStoxx50 sank 0,3 Prozent auf 3752 Zähler. „Das geldpolitische Vorhaben der Fed ist wahrlich historisch“, sagte Jochen Stanzl, Analyst beim Handelshaus CMC Markets. „Noch nie gab es einen derart zügigen Zinspfad, während sich gleichzeitig die Weltwirtschaft so zügig abschwächte.“ Bei Börsianern gilt eine Anhebung des Zinssatzes um 0,5 Prozentpunkte bereits als ausgemachte Sache. Vereinzelte Stimmen halten auch 0,75 Prozentpunkte für möglich.
„Die letzten Kommentare deuten darauf hin, dass der Fed die Inflationsentwicklung ziemliche Sorgen bereitet und sie daher bereit ist, entschieden zu handeln“, sagte Commerzbank-Analystin You-Na Park-Heger. Im Vorfeld des Zinsentscheids trennten sich Anleger erneut von Anleihen. Im Gegenzug zog die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe in der Spitze auf 1,0360 Prozent und erreichte damit den höchsten Wert seit Juni 2015. Damit kletterte die Rendite den zweiten Tag in Folge über ein Prozent. „Das hört man als Aktienanleger natürlich nicht gern“, sagte ein Händler. Mit steigenden Zinsen werden Anleihen im Vergleich zu Aktien zunehmend attraktiver für Investoren.
ÖL-EMBARGO TREIBT ÖLPREIS
Am Rohstoffmarkt trieb unterdessen das geplante Öl-Embargo der Europäischen Union gegen Russland den Ölpreis erneut um bis zu fast vier Prozent nach oben. Rohöl der Sorte BrentLCOc1 verteuerte sich in der Spitze auf 108,99 Dollar pro Barrel. Der Preis für US-Öl WTICLc1 zog auf bis zu 106,45 Dollar pro Barrel an. Nach dem Import-Verbot für Kohle plant die EU-Kommission nun auch ein Aus für die Öl-Einfuhren aus Russland bis Jahresende. Das sechste EU-Sanktionspaket nimmt ferner die russische Sberbank ins Visier.
Dank starker Kapitalkontrollen kletterte der Rubel dennoch auf den höchsten Stand seit zwei Jahren. Der Euro verbilligte sich im Gegenzug um drei Prozent auf 72,40 Rubel. Der Dollar gab ebenfalls um drei Prozent auf 68,83 Rubel nach.
GROSSE KURSSCHWANKUNGEN NACH ZAHLENVORLAGEN
Die unsicheren Aussichten angesichts des Ukraine-Kriegs und der Corona-Lockdowns in China schürten zusätzlich die Nervosität der Anleger. Zu den größten Verlierern gehörten die Titel des britischen Online-Modehändlers Boohoo, die in der Spitze rund 18 Prozent einbrachen. Angesichts der rapide gestiegenen Frachtkosten, anhaltender Lieferschwierigkeiten und höherer Retourenraten blickte der Händler vorsichtig auf das weitere Jahr.
Auch der weltgrößte Schmuck-Hersteller Pandora warnte vor den Unsicherheiten durch die steigende Inflation und den Ukraine-Krieg und verschreckte damit die Anleger. Die Titel gaben an der Börse in Kopenhagen rund 2,5 Prozent nach. Der europäische Einzelhandelsindex lag rund zwei Prozent im Minus. Angesichts trüber Aussichten trennten sich Anleger auch von Cancom-Anteilsscheinen. Die Aktien des IT-Dienstleisters brachen um bis zu 15 Prozent ein, nachdem der Konzern wegen anhaltender Lieferengpässe bei Computern und Zubehör seine Erwartungen für das laufende Jahr zurückgeschraubt hat.
Dagegen schnitt der Gesundheitskonzern Fresenius besser ab als erwartet, sagte ein Händler. Die Aktie gehörte mit einem Plus von rund drei Prozent zu den größten Kursgewinnern im Dax. Rund zehn Prozent legten unterdessen die Anteilsscheine von Teamviewer zu. Das Softwarehaus erntete die Früchte des im vergangenen Jahr eingeleiteten Sparkurses und punktete bei Anlegern mit starken Margen.
Anleger gehen vor Zinsentscheid der Fed in Deckung
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