Frankfurt, 22. Apr (Reuters) – Die Angst vor schnell steigenden Zinsen in den USA hat die Anleger an den europäischen Aktienmärkten zum Wochenschluss in die Flucht getrieben. Der Dax fiel um 1,9 Prozent auf 14.229 Zähler, der EuroStoxx50 gab 1,8 Prozent nach.
„Nach den jüngsten Äußerungen von Fed-Chef Jerome Powell dürfte auch dem allerletzten Marktteilnehmer klar sein, dass die Fed im Mai ihren Leitzins um 50 Basispunkte anhebt“ und nicht wie im März nur um 25 Basispunkte, erklärte Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann. Powell hatte angesichts der hohen Inflation auf der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) erklärt, es sei angemessen, etwas schneller voranzuschreiten.
Doch mit den steigenden Zinsen werden auch die Konjunktursorgen am Markt größer. Börsianer erwarten inzwischen, dass die Federal Reserve den Leitzins bis zum Jahresende auf eine Bandbreite zwischen 2,75 und 3,0 Prozent anheben wird. Viele Investoren stellten sich inzwischen die Frage, ob die Notenbanken mit ihrem zunehmend aggressiven Straffungskurs die Wirtschaft abwürgen könnten, sagt Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. „Angesichts hoher Energiekosten und anhaltender Lieferkettenprobleme sind die steigenden Zinsen jetzt der dritte große Belastungsfaktor für die Unternehmen.“
DOLLAR PROFITIERT VON ZINSSPEKULATIONEN
Am Devisenmarkt ging es angesichts der Zinsspekulationen für die US-Währung bergauf. Der Dollar-Index.DXY stieg in der Spitze um 0,5 Prozent auf 101,0680 Stellen, den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Der EuroEUR= verlor dagegen 0,4 Prozent auf 1,0789 Dollar. Zuletzt hatte auch im Euroraum die Diskussion über eine Zinswende an Fahrt aufgenommen, nachdem sich in den vergangenen Tagen EZB-Vertreter verstärkt für den Juli als Monat einer ersten Zinserhöhung ausgesprochen hatten.
Ob das mehrheitsfähig sei, werde jedoch von den Entwicklungen der Konjunkturdaten abhängen, erläuterten die Analysten der Helaba. „Eine unerwartete, massive Eintrübung der Stimmung könnte den avisierten Kurswechsel zwar nicht verhindern, so aber abschwächen oder verzögern.“
Staatsanleihen waren aufgrund der Zinsfantasien zum Wochenschluss weniger gefragt. Die Kurse der zehnjährigen amerikanischenUS10YT=RR und deutschenDE10YT=RR Bonds fielen. Die Rendite der Bundesanleihe erreichte mit 0,973 Prozent den höchsten Stand seit fast sieben Jahren.
SAP ENTTÄUSCHT MIT QUARTALSZAHLEN
Unter den Eintelwerten sorgte eine neue Welle von Bilanzen aus dem In- und Ausland für Kursbewegungen. Der Softwareriese SAPSAPG.DE enttäuschte mit seinem Zahlenwerk zum Jahresstart und fiel im Dax zeitweise um 4,5 Prozent auf 95,11 Euro, den tiefsten Wert seit Anfang März. Die operative Marge liege deutlich unter den bereits vorsichtigen Erwartungen, sagte ein Händler. Im Sog von SAP ging es auch für die im MDax gelisteten Aktien des Softwarehauses Teamviewer bergab – sie verloren zeitweise fast sechs Prozent.
Punkten konnte dagegen HeidelbergCement, dessen Aktien mit einem Plus von zeitweise rund drei Prozent an der Dax-Spitze standen. Die Papiere profitierten laut Börsianern von der guten Stimmung in der Baubranche, nachdem der Zementkonzern Holcim seinen Umsatzausblick angehoben hatte. Holcim-Titel legten an der Schweizer Börse knapp vier Prozent zu.
An der Pariser Börse ließen die Umsatzzahlen von Gucci die Aktien des Luxusgüterkonzerns Kering abrutschen. Die Titel der Gucci-Mutter fielen um bis zu sieben Prozent auf 514,40 Euro. Der Kursrutsch von Kering zog auch andere Luxus-Modehersteller ins Minus. Burberry, Richemont und Hermes verloren jeweils rund zwei Prozent. Im MDax geben die Papiere von Hugo Boss in der Spitze 2,3 Prozent nach.
Zins- und Konjunktursorgen verprellen Dax-Anleger
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