Mainz (dts Nachrichtenagentur) – Die Zahl der Geldautomatensprengungen in Deutschland steigt auch nach einem vom Bundesinnenministerium organisierten „Runden Tisch“ im November rasant weiter an. Seitdem wurden weitere 162 Automaten gesprengt, davon allein 61 in diesem Jahr, berichtet das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“.
Dennoch setzt die deutsche Kreditwirtschaft weiter auf freiwillige Maßnahmen der Banken. Niedersachsens Justizministerin Katrin Wahlmann (SPD) will sich damit nicht mehr zufriedengeben: „Wenn wir sehen, dass da nichts passiert, dann werde ich eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg bringen, um die Banken gesetzlich in die Verpflichtung zu nehmen, entsprechende Sicherungsmaßnahmen zu schaffen.“ Mit Blick auf Nachbarländer, die diese Form der Kriminalität weitgehend gestoppt haben, finde sie es „persönlich unglaublich, dass ein Nachbarland es schafft, das Phänomen komplett zu beenden durch relativ einfache Maßnahmen“. Oberstaatsanwalt Bernhard Südbeck von der Staatsanwaltschaft Osnabrück leitet für das aufgrund seiner Grenznähe stark betroffene Niedersachsen alle Ermittlungen zu Geldautomatensprengungen.
Er sagte: „Wir haben es hier eindeutig mit organisierter Kriminalität zu tun.“ Die Zahl der Täter sei massiv gestiegen, mittlerweile gehe er von deutlich über 1.000 Tätern aus den Niederlanden aus. Südbeck warnt: „Wir gefährden hier Menschenleben und das sehenden Auges. Wir haben in unserem Bezirk, der Staatsanwaltschaft Osnabrück, schon zwei Verfahren gehabt, in denen es zu Bränden gekommen ist, wo beinahe Menschen, ganze Familien zu Tode gekommen sind.“
Tatsächlich befanden sich viele der gesprengten Geldautomaten in bewohnten Gebäuden. Im am meisten von den Sprengungen betroffenen Bundesland Nordrhein-Westfalen standen im vergangenen Jahr etwa die Hälfte der 181 attackierten Automaten in Wohngebäuden oder direkt daran angrenzend. Der niederländische Chef-Ermittler für Geldautomatensprengungen, Jos van der Stap, erklärte, man habe in den Niederlanden vor zehn Jahren Maßnahmen ergriffen, um eine bessere Prävention an den Geldautomaten zu erreichen. Mittlerweile setze man dort auf die Zerstörung des Geldes während der Sprengung, „damit die Erfolgschance gleich null ist“.
In den Niederlanden kommt hierfür ein mit der dortigen Nationalbank und Ermittlern gemeinsam entwickeltes Sicherheitssystem zum Einsatz, das die Banknoten bei Auslösung einer Sprengung noch in der Geldkassette miteinander verklebt und dadurch unbrauchbar macht. In Deutschland wird diese Technik noch nicht eingesetzt. In einer vom Bundesinnenministerium veröffentlichten Erklärung aller Teilnehmer des Runden Tischs „Geldautomatensprengungen“ Anfang November heißt es, Klebesysteme könnten „eine weitere Lösung darstellen, sobald diese Systeme marktreif“ seien und eine „Erstattungsfähigkeit der verklebten Banknoten durch die Bundesbank gewährleistet“ sei. Länder wie Frankreich oder Portugal zeigen, dass auch die Prävention mit einer farblichen Markierung der Geldscheine bei Sprengung funktionieren kann – vorausgesetzt, sie wird flächendeckend eingesetzt.
Banken sind dort gesetzlich zum Einbau solcher Systeme verpflichtet. Mit dem Ergebnis, dass dort die Zahl der Sprengungen deutlich zurückging.
Foto: Geldautomat, über dts Nachrichtenagentur
Foto/Quelle: dts