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Weiß und männlich? Frauen wollen Wagniskapital neues Gesicht geben

Berlin, 18. Feb (Reuters) – „Ich habe noch nie mit einer Entscheidungsträgerin bei einem Wagniskapitalfonds telefoniert. Das waren immer Männer“, sagt Jaclyn Schnau, die 2017 die Babynahrungsfirma Pumpkin Organics gründete und sich gerade erneut auf Investorensuche befindet. Wenn es um Venture Capital (VC) geht, sind in der Regel weiße Männer mit einem sehr ähnlichen Bildungshintergrund an den Schalthebeln.

„Die VC-Branche ist für mich die undiverseste, undurchsichtigste und intransparenteste Branche, die es gibt“, sagt die Unternehmerin und Investorin Tijen Onaran. Und das tut der Gründerszene nicht gut, weil in der Konsequenz auch sie vorwiegend männlich und weiß ist. Studien führen das auf den Similarity Bias zurück, wonach auch Profis das eigene Geschlecht präferieren und in ihnen vertraute Themen investieren. Dabei hat unter anderem eine internationale McKinsey-Studie gezeigt, dass diverse Gründerteams erfolgreicher sind.

Onaran fasst es so zusammen: „Im Zweifel kennen sich die Menschen, die in der VC-Branche arbeiten, seit ihrem Studium an der WHU (Otto Beisheim School of Management).“ Die Wirtschaftshochschule hat unter anderen Rocket-Internet-Gründer Oliver Samwer, die Zalando-Chefs Robert Gentz und David Schneider oder HelloFresh-Gründer Dominik Richter hervorgebracht.

„Rocket hat zwar viel für das deutsche Startup-Ökosystem getan, aber ganz selten Anteile an Frauen gegeben,“ sagt Bettine Schmitz von der auf weibliche Gründerinnen fokussierten Beteiligungsfirma Auxxo. Sie ist eine Rarität in der Branche: Laut der jährlich erscheinenden Studie „State of European Tech“ sind nur zwölf Prozent der Führungskräfte in der Wagniskapitalbranche weiblich. Der Anteil am Wagniskapital, den Frauen verwalten, dürfte im kleinen einstelligen Bereich liegen. Daten gibt es kaum.

FRAUEN-NETZWERKE

Doch hinter den Kulissen tut sich etwas. „Wir haben alle keine Geduld mehr“, sagt Anna Ott, Managerin beim deutschen Wagniskapitalgeber HV Capital und dort unter anderem für das Personal zuständig. Inzwischen sorgen WhatsApp-Gruppen und regelmäßige gemeinsame Abendessen für einen besseren Austausch der wenigen Frauen in der Branche. Zudem bringen das weibliche Höhle-der-Löwen-Pendant createF, das auf Youtube läuft, oder Investorinnen-Netzwerke wie Evangelistas das Thema vermehrt in die Öffentlichkeit.

„Inzwischen vernetzen sich Frauen gezielt, um sich gegenseitig zu unterstützen und zu fördern. Köpfe der Szene werden aktiv und legen Wagniskapital-Fonds auf, die den Fokus haben, weibliche oder gemischte Teams zu finanzieren“, sagt Sabine Röth, Partnerin bei der auf die Wagniskapitalbranche spezialisierten Kanzlei V14.

Ohne die Unterstützung von Männern läuft allerdings wenig, denn die bestimmenden Partner bei den Fondsgesellschaften sind hauptsächlich männlich. „Da in der Industrie so viele Männer Partner sind, geht es eigentlich auch nicht anders, wenn man Diversität fördern will“, sagt Bao-Y Van Cong, Investmentdirektorin bei Target Global in London und damit eine der wenigen Frauen in der Branche.

Dabei gilt Geschlechterdiversität schon lange als eine Voraussetzung, um Ideen-Vielfalt zu garantieren. „Es macht rein wirtschaftlich Sinn, Männer und Frauen als Investoren zu haben“, sagte Ninja Struye de Swielande vom Wagniskapitalgeber Lakestar, der nach eigenen Angaben inzwischen fast genauso viele Frauen wie Männer zählt. Trotzdem: „Es ist schwer, Frauen für die VC-Branche zu finden.“

Onaran ist überzeugt, aus ihrem Fokus auf weibliche Gründerinnen letztlich Profit zu ziehen: „Ich bin nicht die Mutter Teresa der Startup-Szene. Diversität bringt ökonomische Vorteile.“ Studien wie die von der Boston Consulting Group geben ihnen Recht. Weibliche Gründerinnen machen demnach im Schnitt mehr Umsatz je bei Investoren eingesammeltem Dollar als Männer. Einem Bericht der Initiative European Women in VC zufolge flossen zwischen 2016 und 2020 allerdings nur 1,7 Prozent des Kapitals in von Frauen gegründete Startups.

SUPERFONDS SOLL FRAUEN START ERLEICHTERN

Kinga Stanislawska, Gründerin des polnischen Experior Venture Funds, will das Problem beim Schopfe packen. Sie hat eine EU-weite Petition mit ins Leben gerufen, um frauengeführten Wagniskapitalfonds besseren Zugang zu Kapital zu gewähren. Dazu hat sie einen Superfonds vorgeschlagen, der mit drei Milliarden gefüllt werden soll. Die Idee wird in der EU-Kommission immerhin diskutiert.

„Dafür müssen Institutionen mit Geld wie Pensionsfonds, Family Offices oder Versicherungen ihre Einstellung ändern und endlich auch Geschlechterpolitik betreiben und eben nur in Wagniskapitalfonds investieren, die paritätisch geführt werden“, fordert Stanislawska.

Könnten Frauen als Wagniskapitalgeber mehr Geld in Startups investieren, würden auch diversere Startups gefördert. „Vielleicht haben wir dann weniger 15-Minuten-Liefer-Apps und mehr relevante Gesundheits-Startups“, sagt Stanislawska und macht klar: „Ich will das Gesicht der Wagniskapitalbranche ändern.“ Ihr Ziel sei Parität.

Ähnlich sieht es Röth: „Inzwischen tendiere ich für eine Frauenquote, zumindest für eine Übergangszeit. Vermutlich muss man Frauen das Tor doch stärker öffnen. Sie müssen dann immer noch hindurchgehen.“ Damit das Bild von einer Männerdomäne der Vergangenheit angehört, muss sich noch einiges bewegen. Auxxo-Mitgründerin Schmitz sagt: „Unser Ziel ist es, uns selber obsolet zu machen. Aber wir sind da ganz entspannt, denn wenn wir ehrlich sind, wird das trotz aller Bemühungen noch eine ganze Weile dauern.“

Weiß und männlich? Frauen wollen Wagniskapital neues Gesicht geben

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