Hannover, 02. Sep – Kurz vor dem geplanten Börsengang von Porsche hält Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil die Bewertung des Autokonzerns Volkswagen für massiv unterbewertet. „Ich glaube, dass der Konzern klar unterbewertet ist. Ich bin sicher, dass Volkswagen unglaubliches Potenzial hat“, sagte Weil der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Freitag veröffentlichten Interview. Der SPD-Politiker betonte zudem, dass die bisherigen Entscheidungen für die Vorbereitungen eines Porsche-Börsengangs einvernehmlich erfolgt seien. Ob und wann er erfolge, werde aber noch zu entscheiden sein.
Der VW-Aufsichtsrat soll laut Insidern nächste Woche über die Absicht entscheiden, die Ertragsperle des Konzerns aufs Börsenparkett zu schicken. Daran schließt sich ein bis zu vierwöchiger Zeitraum an, in dem das Unternehmen auf Investoren und Analysten zugehen darf, um für die Aktien-Platzierung zu werben. Experten gehen davon aus, dass die Volkswagen-Aktie von einem Börsengang der Sportwagentochter profitieren kann und die Bewertung des Wolfsburger Konzerns dadurch steigt. Momentan ist Volkswagen an der Börse knapp 83 Milliarden Euro wert, deutlich weniger als im vergangenen Jahr. Porsche alleine könnte nach Analystenschätzungen mit bis zu 80 Milliarden Euro bewertet werden. Als wahrscheinlich gilt allerdings ein Wert darunter.
Der Ministerpräsident, der wegen der Beteiligung des Landes Niedersachsen an VW im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt, verwies vor allem auf die Entwicklung im Batteriebereich, der für den Wolfsburger Konzern ein wesentliches Geschäftsfeld sei. Volkswagen sei schon jetzt nicht nur einer der größten Produzenten, sondern auch einer der größten Automobilzulieferer der Welt. „Es spricht eine Menge dafür, dass die Aktivitäten rings um die Batterie den Wert des Konzern noch einmal nachhaltig steigern werden“, unterstrich Weil.
Er betonte, dass das Land als Aktionär das Gefühl habe, dass das Unternehmen eine gute Zukunft hat. „Niedersachsen steht zu seiner Beteiligung. Als Aktionär sage ich: Der Konzern ist besser als seine Bewertung.“ Über Kapitalerhöhungen müsse zum Glück gar nicht geredet werden, sagte er auf eine entsprechende Frage mit Blick auf die Situation des Konzerns.
Sicher gebe es neue Konkurrenz sowohl im Bereich der Digitalisierung als auch im Bereich der Elektromobilität, die vor allem aus China oder den USA komme. „Die Wettbewerbssituation ist nicht einfach, aber das Potenzial des Konzerns beträchtlich. VW hat die große Chance, innerhalb des Konzerns erhebliche Skaleneffekte zu erzielen“, betonte Weil.
Angesprochen auf das autonome Fahren äußerte sich Weil zurückhaltend. „Ich würde mich nie auf den Zeitpunkt für den Durchbruch festlegen.“ Wahrscheinlich werde das autonome Fahren zunächst in internen Verkehren auf Werksgeländen stark zunehmen und sich dann schrittweise ausbreiten. „Aber wann wir so weit sind, dass wir uns mit geschlossenen Augen ins Auto setzen und mit geschlossenen Augen am Ziel ankommen könnten, das weiß ich nicht“, sagte Weil, der zugleich dem neuen VW-Chef Oliver Blume das Vertrauen aussprach. „Oliver Blume verfügt über ein sehr hohes Ansehen in den unterschiedlichen Teilen des Konzerns. Er gilt als ein guter Teamplayer, aber auch als einer, der führt. Genau das wird gebraucht.“
Weil wies auch Bedenken zurück, dass VW zu stark von China abhängig sei und dies wegen des nötigen Bezugs von Rohstoffen für Batterien noch zunehmen könne. „VW steht weltweit an zweiter Stelle beim Verkauf von Elektroautos. Natürlich gibt es die Gefahr eines Klumpenrisikos etwa bei Rohstoffen.“ Aber die Beschaffung von Rohstoffen werde im Konzern inzwischen ganz anders als früher organisiert. „Die Planungen sind ambitioniert, aber überzeugend.“ Zuletzt hatte VW in Kanada eine Absichtserklärung unterzeichnet, um sich den Bezug von für die Batterieproduktion wichtigen Lithiums zu sichern.
„Sicher spielt China für VW eine ganz wichtige Rolle“, fügte Weil mit Blick auf die hohen Verkaufszahlen und Produktionsstätten des Konzerns in den Land hinzu. Aber die richtige Antwort gegen eine zu große Abhängigkeit sei, dass der Konzern auf anderen Märkten, vor allem auf dem amerikanischen, sehr viel stärker werde. „Das ist die beste Antwort, gerade bei Investitionen. Kein großes deutsches Unternehmen kann derzeit einen Rückzug aus China für sich verantworten.“
Weil hält Volkswagen für „klar unterbewertet“
Quelle: Reuters
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