Freitag, November 22, 2024
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Weil – Bund soll Schuldenbremse auch 2023 aussetzen

Hannover, 02. Sep – Die Bundesregierung sollte nach Ansicht von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil die sogenannte Schuldenbremse auch 2023 aussetzen. „Das Grundgesetz sieht vor, dass der Staat in einer Notlage auch Schulden machen kann. Eine Notlage haben wir offenkundig“, sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit Blick auf die Energiekrise.

„Wir müssen entschlossen handeln und Hilfspakete auch für den Mittelstand schüren. Sonst droht uns, dass aus der Gaskrise eine soziale und politische Krise wird – und wir im ersten Halbjahr 2023 einen wirtschaftlichen Zusammenbruch vieler Firmen erleben“, sagte Weil. Am Samstag berät auf Bundesebene der Koalitionsausschuss von SPD, Grünen und FDP. „Natürlich muss es in einer solchen Ausnahmesituation auch Ausnahmen von der Schuldenbremse geben können“, betonte er. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnen dies bisher ab. 

Weil, der sich am 9. Oktober bei einer Landtagswahl der Wiederwahl stellt, forderte von der Ampelkoalition schnelle Beschlüsse zu den Entlastungspaketen. Das seit extrem wichtig für die Menschen, die mit ihrem Geld nicht auskommen könnten. „Umgekehrt können wir Streit zwischen den Koalitionären in Berlin wie zuletzt nicht brauchen, das schadet im Gegenteil“, fügte er in Anspielung auf den Streit vor allem zwischen SPD und Grünen in der Ampel-Koalition hinzu. In Niedersachsen liegt die SPD laut jüngsten Umfragen vor CDU und Grünen, muss allerdings auch fürchten, dass die Energiekrise alle landespolitischen Themen überschattet.

Energiepreise und -versorgung seien an den Wahlständen das alles beherrschende Thema, sagte Weil. Der CDU warf er vor, lange auf der Bremse beim Ausbau der Erneuerbaren Energien gestanden zu haben. „Deshalb würde ich künftig auch gerne wieder mit den Grünen regieren“, kündigte Weil an, der eine große Koalition aus SPD und CDU in Hannover anführt. Der Unterschied zu den Grünen sei, dass die SPD zwar klimaambitioniert sei, „aber eben auch die Partei der Arbeit“. Klimaschutz brauche gesellschaftliche Zustimmung und dürfe nicht zur Deindustrialisierung führen.

Weil erneuerte den Anspruch, Niedersachsen zum „Energieland Nummer eins“ zu machen. In der Nordsee entstünden deshalb große Windparks. „Wir strengen uns übrigens auch deswegen so an, um die Energieversorgung in Süddeutschland mit sicherzustellen“, sagte er mit Hinweis auf Bayern und Baden-Württemberg. „Wir wissen, dass ein erheblicher Teil der hier produzierten und importierten Energie im Süden gebraucht wird. Niedersachsen nimmt derzeit Verantwortung für ganz Deutschland wahr.“

Die Energiewende verschaffe dem Norden und Niedersachsen eine Riesenchance. Wilhelmshaven entwickele sich zur zentralen Energiedrehscheibe Deutschlands. „Das zieht substanzielle Ansiedlungen nach sich, viele im Milliardenbereich“, sagt er und verwies auf das Unternehmen TES, das von dort zehn Prozent der Energieversorgung Deutschlands mit Wasserstoff-Importen sichern wolle. Emden sei nicht nur Standort der neuen VW-Produktion des ID.4. Der Bürgermeister sage ihm auch, dass er noch nie so viele Anfragen für größere Industrieansiedlungen gehabt habe. Und in Salzgitter baue VW nicht nur ein neues großes Batteriewerk, sondern bündele in der Stadt sein weltweites Batteriegeschäft. Dort solle bald zudem bei Salzgitter-Stahl das erste völlig klimaneutrale Stahlwerk entstehen. „Das alles hängt mit der stark steigenden Ökostrom-Erzeugung und dem Wasserstoffhub Niedersachsen zusammen.“ 

Weil fordert niedrigere Strompreise für den Norden und zeigte sich in der Debatte um längere Laufzeiten für die drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke flexibel. Eines davon liegt in im niedersächsischen Emsland. „Wenn der Stresstest ergibt, dass die Atomkraftwerke weiterlaufen müssen, dann ist das so. Dieses Thema sehe ich denkbar pragmatisch“, sagte der Ministerpräsident. Er würde sich aber wünschen, ohne Atomenergie in Niedersachsen klar zu kommen.

In der Frage einer möglichen Einlagerung des CO2-Klimagases bremste Weil. „Wir sollten uns die norwegischen Erfahrungen sehr genau anschauen“, sagte er mit Blick auf sogenannte Carbon-Capture-and-Storage (CCS)-Pläne. „Norwegen hat große Gasvorkommen, die ausgefördert sind, und nutzt diese Gebiete nun für eine sichere Speicherung von CO2.“ Bei einer Einlagerung unter dem Meer gebe es sehr viel weniger Bedenken als an Land. „Aber in Deutschland sind wir noch nicht so weit, als dass wir alle Fragen dazu kritisch durchgeprüft hätten“, sagte Weil. 

Weil – Bund soll Schuldenbremse auch 2023 aussetzen

Quelle: Reuters

Titelfoto: Symbolfoto

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