Berlin/Peking, 01. Dez – Die Debatte um den richtigen Umgang mit China ist auf breiter Front entbrannt. EU-Ratspräsident Charles Michel forderte in Peking faire Wettbewerbsbedingungen von der Volksrepublik ein. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte vor einseitigen Abhängigkeiten, betonte bei einem Besuch in Berlin aber, dass China kein „Gegner“ sei. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium wurde ein neues, kritisches Strategie-Papier bekannt, das den deutschen Firmen im China-Geschäft engere Zügel anlegen will.
Michel pochte nach einem Gespräch mit Chinas Präsident Xi Jinping auf mehr Gleichberechtigung und Fairness in den Wirtschaftsbeziehungen. Es müsse einen gleichberechtigten Zugang für europäische Firmen in China wie für chinesische Firmen im EU-Binnenmarkt geben, sagte er. Hintergrund sind Beschwerden europäischer Unternehmen über Restriktionen in China. „Wir wollen keine übermäßige Abhängigkeit“, betonte Michel. Mit Blick auf die strikte Corona-Politik Pekings betonte er, dass europäische Firmen bereit seien, Impfstoffe nach China zu liefern, wenn diese dort zugelassen würden.
Nato-Generalsekretär Stoltenberg mahnte, dass der Westen nicht den Fehler wie bei Russland machen und einseitige Abhängigkeiten verursachen dürfe. Er hatte zuvor davor gewarnt, dass chinesische Firmen in kritische Infrastruktur in Europa investieren wollten.
Das Nachrichtenportal Pioneer zitierte aus einem neuen China-Strategiepapier aus dem Haus von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Die Beamten rechnen dabei damit, dass eine Annexion Taiwans durch China bis spätestens 2027 zu erwarten sei, dem 100. Gründungsjahr der Volksbefreiungsarmee. Das demokratisch regierte Taiwan wird von Peking als abtrünnige Insel angesehen.
Das Erpressungspotenzial Deutschlands sei angesichts der wirtschaftlichen Verflechtungen hoch, wird aus dem Papier weiter zitiert. Das 100-seitige Dokument sei nicht in der gesamten Bundesregierung abgestimmt, berichtete das Portal weiter. Auch das ebenfalls von den Grünen geführte Auswärtige Amt hatte einen vertraulichen Entwurf für eine China-Stratgeie erarbeitet. „Interne Arbeitsstände und interne Prozesse kommentieren wir grundsätzlich nicht“, teilte das Wirtschaftsministerium am Donnerstag auf Anfrage mit.
In Regierungskreisen hieß es aber, das Papier sei anders als berichtet noch nicht mit der Leitungsebene abgestimmt. Es sei zudem bereits öffentlich bekannt, dass die Regierung Investitionsgarantien für deutsche Konzerne im Ausland neu ausrichten wolle. Hier gebe es einen Konsens in der Regierung.
Geplant sind offenbar etwa neue Berichtspflichten für deutsche Firmen mit starkem China-Geschäft – was in der Wirtschaft auf harte Ablehnung stößt. „Die Wirtschaft ist über diese mehrgleisige Kommunikation bei der China-Strategie angesichts der Bedeutung, die China für unsere Wirtschaft hat, sehr verärgert“, sagte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammern (DIHK), Volker Treier, der Nachrichtenagentur Reuters. „Gerüchte über eine erhebliche Erweiterung und Vertiefung der Berichtspflichten auch für mittelständische Betriebe, die in China tätig sind, sind Gift für stabile Geschäftsbeziehungen und die Planungssicherheit.“ Angesichts der aktuell ohnehin gewaltigen Herausforderungen im internationalen Geschäft komme diese Art der Debatte zur Unzeit.
In dem Papier des Wirtschaftsministeriums wird laut Bericht vorgeschlagen, dass es bei den staatlichen Absicherungen von Investitionen einen stärkeren Anreiz geben soll, in andere Staaten zu expandieren, um nicht noch abhängiger von China zu werden. So soll es teurer werden, in bereits stark nachgefragten Ländern neue Garantien in Anspruch zu nehmen. Insgesamt gewährt der Bund aktuell rund 29 Milliarden Euro an Absicherungen. Zusätzlich soll eine Obergrenze eingezogen werden. Unternehmen dürfen dann künftig nicht mehr als drei Milliarden Euro in einem bestimmten Land absichern. Dies deckt sich mit dem Vorschlag aus dem Papier des Auswärtigen Amtes.
Warnungen vor zu viel Abhängigkeit – Westen sucht China-Kurs
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Daniel auf Pixabay
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