Berlin, 31. Aug – Die Inflation im Euroraum hat im August die Neun-Prozent-Marke geknackt. Die Verbraucherpreise kletterten binnen Jahresfrist um 9,1 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch auf Basis einer Schnellschätzung mitteilte. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich mit einem Anstieg auf 9,0 Prozent gerechnet, nach einer Zuwachsrate von 8,9 Prozent im Juli. Sie sagten in ersten Reaktionen:
THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:
„Die Inflationsdynamik ist im August größer als erwartet. Die Inflationsrate steigt damit auf ein neues Hoch. Für die EZB sind das keine guten Nachrichten. Die europäischen Währungshüter haben es versäumt rechtzeitig den Hebel herumzulegen. Nun hinken sie der Teuerungsentwicklung hinterher. Mehr noch, über die Notwendigkeit eines großen Zinsschritts im September wird in den Reihen der EZB noch immer rege diskutiert. Der deutsche Bundesbankchef Joachim Nagel warnt gar seine EZB-Ratskollegen vor einem Zaudern aus Rezessionsangst. Dabei liegt es in Anbetracht einer Inflationsrate von 9,1 Prozent auf der Hand, dass von der Notenbank ein klares Signal des Gegensteuerns kommen muss. Die EZB sollte im September um 75 Basispunkte erhöhen.“
ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK:
„Der weitere Anstieg der Inflationsrate wird die allgemeine Inflationsangst eher noch verstärken. Klar dürfte sein, dass der Inflationsstress auch in den nächsten Monaten sehr präsent sein wird. Energiepreise, Dürre, der schwache Euro und die Gasumlage in Deutschland halten die Inflationssorgen hoch. Die EZB steht kurz vor einer Leitzinserhöhung um 75 Basispunkte. Noch ist es zu früh, um sich mit der Frage nach dem Inflationsgipfel zu beschäftigen. Vielmehr sind weitere Realeinkommensverluste unterwegs, die als Rezessions-Verstärker wirken. Die Regierungen als Inflations-Mitverursacher bleiben gefordert, Bürger mehr zu entlasten als bislang signalisiert.“
FRITZI KÖHLER-GEIB, CHEFVOLKSWIRTIN KFW:
„Obwohl sich die konjunkturellen Aussichten im Euroraum immer mehr eintrüben, sind wir von einer Trendumkehr bei der Inflation noch weit entfernt. Dies spiegelt sich auch in den heute veröffentlichten Zahlen für den August wider, in dem die Inflation weiter zulegte. Mit Blick auf den Rest des Jahres dürfte die Richtung bei den Preisen ebenfalls klar sein. Die unvermindert ansteigenden Nahrungsmittel- und Energiepreise, vor allem von Strom und Gas, dürften die Inflation im Euroraum in den letzten Monaten des Jahres auf über zehn Prozent treiben.“
JÖRG KRÄMER, CHEFVOLKSWIRT COMMERZBANK:
„Mit 9,1 Prozent hat die Inflation im Euroraum ein neues Allzeithoch erreicht – und sie könnte in den kommenden Monaten über die Marke von 10 Prozent steigen. Es verwundert nicht, dass die langfristigen Inflationserwartungen der Bürger im Euroraum nicht mehr beim EZB-Ziel von 2 Prozent liegen, sondern bereits bei knapp 3 Prozent. Diese gefährliche Entankerung der Inflationserwartungen kann die EZB nur mit entschiedenem Handeln stoppen. Sie sollte dem Beispiel der US-Notenbank folgen und ihre Leitzinsen am kommenden Donnerstag um 0,75 Prozentpunkte erhöhen.“
Volkswirte zur Rekordinflation im Euroraum von 9,1 Prozent
Quelle: Reuters
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