Berlin/Brüssel, 02. Feb (Reuters) – Die Inflation im Euro-Raum ist zu Jahresbeginn überraschend auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Dienstleistungen und Waren kosteten im Januar durchschnittlich 5,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch auf Basis vorläufiger Daten mitteilte. Experten hatten mit einem Rückgang auf 4,4 nach 5,0 Prozent im Dezember gerechnet. Sie sagten in ersten Kommentaren:
THOMAS GITZEL, VP BANK:
„EZB-Chefin Christine Lagarde werden die Inflationsdaten nicht gefallen. Die Inflationsentwicklung geht immer noch nicht in die richtige Richtung. Die ohnehin schon laute Kritik aus Deutschland dürfte nicht abreißen. Trost mag hingegen sein, dass zumindest unter Herausrechnung der volatilen Energie- und Lebensmittelpreise die Teuerungsrate fiel. Der Anstieg der Kernrate um 2,3 Prozent ist nicht weit vom EZB-Ziel von zwei Prozent entfernt. Dies wird Lagarde nach der morgigen EZB-Notenbanksitzung besonders betonen. Der geldpolitische Kurs dürfte deshalb bestätigt werden.“
FRITZI KÖHLER-GEIB, KFW:
„Der erste Datenpunkt des neuen Jahres zeigt einen erneuten Anstieg der Inflationsrate. In erster Linie erklärt sich das mit der Weitergabe der sehr hohen Energiepreise an die Verbraucher. Im Jahresverlauf ist zwar weiterhin damit zu rechnen, dass die monatliche Teuerungsrate absinkt. Wie schnell es geht, hängt aber davon ab, wie schnell sich die Lieferengpässe und die Energiepreise entspannen. Vor allem durch die Omikron-Variante werden neue Störungen in den Lieferketten wahrscheinlicher. Falls ein merklicher Abwärtstrend bei der Inflationsrate ausbleibt, steigt jedenfalls der Druck auf die Lohnverhandlungen zu höheren Abschlüssen und damit auch die Gefahr von Zweitrundeneffekten. In diesem Fall rechne ich mit einer früher als aktuell kommunizierten Reaktion der Geldpolitik.“
ROBERT GREIL, MERCK FINCK:
„Die Inflation in der Euro-Zone hat mit einer Rate von 5,1 Prozent die Erwartungen der Marktteilnehmer übertroffen. Der Wegfall von Basiseffekten, auf den die EZB gesetzt hatte, dämpfte die Inflationsrate weniger als erwartet. Die EZB gerät damit weiter unter Druck, ihre Geldpolitik schneller zu straffen. Der durch die geopolitischen Spannungen angeheizte Anstieg der Rohstoffpreise hat die Lage für die Notenbank weiter verkompliziert.“
ALEXANDER KRÜGER, HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK:
„Der Anstieg der Inflationsrate ist ein erneuter Nackenschlag. Statt zu sinken, ist die Inflationsrate nochmals etwas gestiegen. Klarer Spielverderber waren nahezu ausschließlich die Energiepreise. Auch wenn es noch immer nach einem temporären Inflationsanstieg aussieht, bleiben Aufwärtsrisiken gerade von dieser Seite vorerst dominant. Gegen den Anstieg der Energiepreise ist die EZB machtlos. Aus ihren Wertpapierkäufen wird sie daher kaum schneller aussteigen.“
RALF UMLAUF, HELABA:
„Die nationalen Datenveröffentlichungen hatten darauf hingewiesen, dass die Inflationsrate in der Euro-Zone höher als gedacht ausfallen würde. Der Anstieg überrascht dennoch deutlich auf der Oberseite. Insofern bleibt der Druck auf die EZB erhalten, schneller auf die Teuerungswelle zu reagieren, als dies bisher avisiert wird. Spannend ist, ob die EZB-Präsidentin morgen auf der Pressekonferenz erneut betont, dass Zinserhöhungen in diesem Jahr sehr unwahrscheinlich seien. Die Marktteilnehmer haben derweil die Zinserhöhungserwartungen zum Ende dieses Jahres forciert und werden sich durch die aktuellen Zahlen bestätigt sehen.“
JÖRG KRÄMER, CHEFÖKONOM COMMERZBANK:
„Mit 5,1 Prozent liegt die Inflation im Januar meilenweit über den 4,1 Prozent, die die EZB für das erste Quartal prognostiziert. Die unerwartet hohe Teuerungsrate ist ein Nackenschlag für die EZB. Sie sollte die massiv gestiegenen Inflationsrisiken endlich anerkennen und geldpolitisch den Fuß vom Gas nehmen.“
Volkswirte zum neuen Rekordhoch der Inflation in Euro-Zone
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