Freitag, November 22, 2024
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Volkswirte zum deutlichen Rückgang der Inflationsrate

Berlin, 03. Jan – Die Inflation in Deutschland hat im Dezember überraschend stark nachgelassen. Die Verbraucherpreise stiegen um durchschnittlich 8,6 Prozent zum Vorjahresmonat. Im November waren es 10,0 Prozent gewesen, nach 10,4 Prozent im Oktober. Von Reuters befragte Ökonomen hatten für Dezember mit 9,1 Prozent gerechnet. Sie sagten in ersten Reaktionen:

ULRICH KATER, CHEFÖKONOM DEKABANK:

„Die Gaspreisbremse beschert der Inflation im Dezember erst mal nur ein Zwischentief. Im Januar wird es wieder nach oben gehen, bevor die Inflationsraten dann im Jahresverlauf langsam fallen werden. Mehr und mehr geht es aber nicht mehr darum, ob die Inflationsrate überhaupt wieder sinkt, sondern wie stark sie zurückgeht. Bis wir wieder richtige Preisstabilität haben, wird es im besten Fall ein bis zwei Jahre dauern.“

JENS-OLIVER NIKLASCH, LBBW:

„Mit den Dezember-Zahlen verdichtet sich die Vermutung, dass der Hochpunkt der Inflation hinter uns liegt, zur Gewissheit. Das vermag jedoch nur bedingt zu beruhigen. Erstens ist die Inflation auch im Dezember inakzeptabel hoch. Zweitens ist der Rückgang zumindest teilweise auf die Maßnahmen der Fiskalpolitik zur Dämpfung der Auswirkungen des Energiepreisanstiegs zurückzuführen. Subventionen können indes keine dauerhafte Antwort auf Inflationsdruck sein. Und drittens legen die Preise für Dienstleistungen und für Nahrungsmittel im Vorjahresvergleich weiter deutlich zu. Der Kampf gegen im Vorjahr entfachte Inflation bleibt ein Marathonlauf, kein Sprint.“

FRIEDRICH HEINEMANN, ZEW-INSTITUT:

„Der Rückgang der Inflation zum Jahresende wird maßgeblich von drei Faktoren getrieben. Die Gaspreisbremse hat die privaten Haushalte um die Dezember-Abschlagszahlung entlastet. Der niedrigere Ölpreis verringert die Sprit- und Heizölpreise. Außerdem hat die Aufwertung des Euro zu einer Verbilligung von Importen in die Euro-Zone geführt. Daher hat auch die EZB Anteil an diesem ersten kleinen Erfolg in der Inflationsbekämpfung. Denn durch ihre Zinserhöhungen hat die EZB die Erholung des Euro gegenüber dem Dollar begünstigt. Eine Rückkehr zur Preisstabilität bleibt trotzdem für dieses Jahr unmöglich. Die Inflation in Deutschland ist schon längst nicht mehr nur eine Inflation der Energiepreise, sondern hat fast alle Güter und Dienstleistungen erfasst. Und Instrumente wie die Gaspreisbremse lindern letztlich nur Symptome.“

SEBASTIAN DULLIEN, WISSENSCHAFTLICHER DIREKTOR IMK:

„Die deutsche Inflationsrate ist im Dezember deutlich zurückgegangen und hat die 10-Prozent-Marke ein ganzes Stück hinter sich gelassen. Wichtigster Treiber für den Rückgang war ein Abflauen der Energiepreisinflation. Zum einen hat der Bund im Dezember im Rahmen der Gaspreisbremse die Abschlagzahlung für Gas- und Wärmekunden übernommen, was den für die Inflationsberechnung gemessenen Gaspreis dämpft, zum anderen sind die Benzinpreise seit ihrem Höhepunkt nach der Ukraine-Invasion zurückgegangen. Der Preis für Superbenzin etwa lag zuletzt kaum noch höher als vor Jahresfrist.

Mit dem deutlichen Rückgang dürfte nun die Kehrtwende bei der Inflation geschafft sein. Solange es keinen neuen, heftigen Energiepreisschock gibt, dürften wir auf absehbare Zeit in Deutschland nun keine zweistelligen Inflationsraten mehr sehen.“

ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK:

„Dank gesunkener Energiepreise und Energiehilfen ist die Inflationsrate gesunken. Bei der Energie-Soforthilfe handelt es sich aber nur um eine Momentaufnahme, die im Januar wieder dreht. Für Entwarnung ist es daher noch zu früh, der Inflationsgipfel scheint aber überwunden. Inflationsgeißel Nummer Eins bleibt vorerst die Kerninflation. Der Inflationsblick richtet sich auf mittlere Sicht weiterhin nach unten.“

JÖRG KRÄMER, CHEFVOLKSWIRT COMMERZBANK:

„Die Inflation ist nur deshalb stark gefallen, weil der Staat im Dezember für viele Bürger die Abschlagzahlungen für Gas übernommen hat. Ohne Energie und Nahrungsmittel ist die Inflation dagegen weiter von 5,0 Prozent auf geschätzte 5,1 Prozent gestiegen. Die Bürger werden wegen des zögerlichen Vorgehens der EZB noch lange unter einer hohen Inflation leiden, auch wenn die Gas- und Strompreisbremsen die Inflation in diesem Jahr drücken sollten.“

MICHAEL HEISE, CHEFÖKONOM HQ TRUST:

„Der Geldbeutel der Verbraucher blieb auch zum Jahresende 2022 arg strapaziert, aber immerhin ist die Inflationsrate wieder deutlich in den einstelligen Bereich gefallen. Der Rückgang gegenüber November 2022 geht zu einem erheblichen Teil darauf zurück, dass der Staat die Dezember-Abschläge für Direktbezieher von Gas und Fernwärme übernommen hat. Das bedeutet zwar strenggenommen keine Preissenkung, reduziert aber den Aufwand für die Verbraucher. Allerdings wäre die Inflation auch ohne diese Einmalzahlung in den einstelligen Bereich gefallen: Der Rückgang der Ölpreise und der im Vergleich zu den vergangenen Monaten etwas verminderte Anstieg der Lebensmittelpreise haben die Inflation deutlich gedämpft.“

Volkswirte zum deutlichen Rückgang der Inflationsrate

Quelle: Reuters

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