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Volkswirte zu den jüngsten Sanktionen gegen Russland

Berlin, 28. Feb (Reuters) – Vor dem Hintergrund anhaltender russischer Angriffe in der Ukraine versucht die westliche Staatengemeinschaft Russland weiter zu isolieren. Die EU hat in der Nacht die angekündigten schwerwiegenden Sanktionen gegen die russische Zentralbank in Kraft gesetzt.

Sie umfassen ein Verbot von Transaktionen der Bank in Bezug auf die hohen russischen Währungsreserven in Euro. Zudem wird das Vermögen der Bank in der EU beschlagnahmt. Die Notenbank in Moskau reagierte auf die Krise mit einer drastischen Leitzinserhöhung. Ökonomen sagten zu den jüngsten Entwicklungen:

SANDRA STRIFFLER, DZ BANK:

„Der russische Rubel ist zum Wochenauftakt gegenüber dem Euro zeitweise um 40 Prozent gefallen. Die russische Notenbank hat deshalb heute Morgen den Leitzins von 9,5 auf 20 Prozent erhöht. Kurzfristig bringt diese geldpolitische Maßnahme aufgrund der jüngsten westlichen Sanktionen aber nicht viel – der Kurs zeigt aktuell weiter nach unten. Somit wird die russische Zentralbank in den kommenden Stunden und Tagen vermutlich weitere Schritte in Gang setzen, um den Abwärtssog des Rubels zumindest leicht abzufedern.

Auch wenn die Notenbank eine erfahrene Krisenmanagerin ist, steht sie vor einer Mammutaufgabe. Die neuen EU-Sanktionen verhindern nämlich Transaktionen der Zentralbank in Euro. Die Schlagkraft der aktuell rund 643 Milliarden US-Dollar umfassenden Fremdwährungsreserven der Notenbank wird damit stark eingeschränkt.“ 

EDOARDO CAMPANELLA, UNICREDIT:

„Der russischen Zentralbank werden restriktive Maßnahmen auferlegt. Mehr als 55 Prozent der russischen Währungsreserven werden direkt betroffen sein. Der Prozentsatz könnte noch höher sein, da einige der anderen Bestände durch den Tausch von Dollar entstanden sein könnten. Darüber hinaus könnten mehr als 20 Prozent der derzeit in Gold gehaltenen Reserven nur schwer ins Ausland verkauft werden.“

CARSTEN FRITSCH, COMMERZBANK:

„Russland könnte als Vergeltung für die einschneidenden Maßnahmen die Energielieferungen nach Europa reduzieren oder sogar ganz einstellen. Noch gibt es dafür allerdings keinen Anhaltspunkt. Die russischen Gaslieferungen nach Europa stiegen am Freitag sogar auf das höchste Niveau seit Dezember und auch die vorläufigen Daten für heute zeigen noch kein grundsätzlich anderes Bild.

Die Sanktionen und der Exodus westlicher Ölgesellschaften dürften mittel- bis langfristig zu einer niedrigeren russischen Öl- und Gasproduktion führen, da Investitionen in die Aufrechterhaltung der Produktion bzw. die Erschließung neuer Quellen deutlich schwieriger werden.“

FRIEDRICH HEINEMANN, ZEW:

„Die Zinserhöhung der russischen Zentralbank soll Einlagen in Rubel attraktiver machen und die nun einsetzende Kapitalflucht eindämmen. Dies wird kaum gelingen. Der Rubel hat mit den umfassenden Sanktionen aufgehört, eine frei konvertible Währung zu sein. Damit wird Russland währungspolitisch in die frühen Neunziger und die Zeit vor der umfassenden ökonomischen Öffnung des Landes zurückgeworfen.

Sicherlich kann das Land mit Hilfe kooperationsbereiter Länder und alternativer Zahlungssysteme in eingeschränktem Ausmaß internationale Transaktionen aufrechterhalten. Aber die Menschen, die jetzt vor den Geldautomaten Schlange stehen, wissen, dass der Rubel nicht mehr länger eine werthaltige und international einsetzbare Währung ist. Russland-Aktiva und der Rubel sind an den Finanzmärkten mit dem russischen Überfall auf die Ukraine schlagartig zu Ramsch geworden.“

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK:

„Das Einfrieren der Devisenreserven der russischen Zentralbank vermindert die Handlungsfähigkeit des Landes weiter, auch wenn der Westen kein Embargo gegen Rohstoffimporte aus Russland verhängte. Für ein weiteres wirtschaftliches Zurückfallen Russlands spricht auch das bereits am Freitag verhängte westliche Exportverbot für High-Tech-Güter.

Die EU-Länder werden ihre Position gegenüber Russland auch dadurch stärken, dass sie ihre Verteidigungsausgaben deutlich anheben; so hat Deutschland eine historische Kehrtwende vollzogen und will von nun an das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllen.“

RALF UMLAUF, HELABA:

„Die Kämpfe in der Ukraine setzen sich fort, während der Westen mit weitergehenden Sanktionen reagiert. Auch der Ausschluss russischer Banken vom Zahlungssystem Swift ist beschlossen.

Offen ist, wie stark der Einfluss des Krieges und der Sanktionen auf die hiesige Wirtschaft ist und wie die Notenbanken darauf reagieren. Die EZB hat bereits angekündigt, geopolitische Faktoren in ihre Überlegungen einzubeziehen. Dies könnte als erster Hinweis auf eine vorsichtigere Vorgehensweise verstanden werden. Ohnehin hat es die EZB nicht besonders eilig mit der Wende in der Geldpolitik. Dennoch sind 

die Zinserwartungen bislang nur leicht zurückgegangen.“

THOMAS GITZEL, VP BANK:

„Der Ausschluss russischer Banken aus dem Zahlungssystem Swift bleibt nicht ohne wirtschaftliche Folgen für den europäischen Bankensektor. Der Ausschluss russischer Banken aus dem internationalen Zahlungsverkehr bedeutet, dass diese Finanzinstitute ihre Verbindlichkeiten gegenüber ihren europäischen Gläubigern nicht mehr begleichen können. Für die EU als gesamtes sind die russischen Verbindlichkeiten überschaubar.

Die Forderungen belaufen sich auf rund 75 Milliarden Dollar oder 0,7 Prozent der gesamten Bankforderungen. Die absoluten höchsten Forderungen haben französische, italienische und österreichische Banken. In relativer Betrachtung trifft es den österreichischen Finanzsektor am deutlichsten. Knapp 4 Prozent der ausstehenden Forderungen betreffen dort eine russische Bankenadresse.“

Volkswirte zu den jüngsten Sanktionen gegen Russland

Copyright: (c) Copyright Thomson Reuters 2022

Titelfoto: Symbolfoto 

Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.

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