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US-Kongresswahl – Für Bundesregierung nur eines ihrer Amerika-Probleme

Berlin, 31. Okt – Wenn in den USA am 8. November Kongresswahlen stattfinden, zittern erfahrungsgemäß auch deutsche Beobachter. Denn die Frage, ob Republikaner oder Demokraten in Senat und Repräsentantenhaus in Washington das Sagen haben, kann auch die Politik eines US-Präsidenten ändern. Aber diesmal ist alles anders, sagen mehrere Beobachter. Denn zum einen sorgt sich die Bundesregierung derzeit vor allem über die Auswirkungen des riesigen Subventionsprogramm von US-Präsident Joe Biden auf Deutschland. Zum anderen ist der bange Blick der Europäer längst auf das Jahr 2024 gerichtet, weil niemand weiß, ob es nach den US-Präsidentschaftswahlen nicht erneut zu einem transatlantischen Bruch wie unter Donald Trump kommt. Die Midterms gelten vor allem als Zwischenetappe und Gradmesser für die Stärke der populistischen Stimmungen in den USA. 

„Aber eines ist sicher: Der Wind wird wieder rauer sowohl inneramerikanisch als auch in der Außenpolitik, weil schon bald der nächste Präsidentschaftswahlkampf beginnt und die USA sich noch mehr auf sich selbst konzentrieren werden“, sagt der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), Christoph Heusgen, zu Reuters. Er rechnet damit, dass die Republikaner bei den Midterms gewinnen werden. Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Michael Link, hält es ebenso wie SPD-Außenpolitiker Nils Schmid für entscheidender, wer genau sich bei den Parteien durchsetzt. „Es kommt mehr darauf an, welche Republikaner in den Kongress einziehen, ob dies russlandfreundliche Trump-Anhänger sind oder nicht“, sagt Schmid zu Reuters. Link hält dies vor allem mit Blick auf die Handelspolitik für wichtig – denn die Spannbreite an politischen Unterschieden ist in beiden politischen Lagern groß. 

Vor allem in der Handelspolitik müsse die Bundesregierung dann rasch reagieren, fordert der Transatlantik-Koordinator. Die Wahlen brächten Klarheit über die politische Aufstellung der USA bis 2024. „Es ist auch eine Aufforderung an die deutsche Seite, sofort nach den Wahlen zu schauen, was geht und was nicht“, sagt der FDP-Politiker mit Blick auf deutsche Wünsche, wieder über ein transatlantisches Wirtschaftsabkommen zu verhandeln. „Wir müssen das Zeitfenster nutzen, bevor es dann in den nächsten US-Präsidentschaftswahlkampf geht“, fügt er im Reuters-Interview hinzu. SPD-Politiker Schmid hat dagegen schon jetzt keine Hoffnung mehr, dass Washington den Ball aufgreifen könnte – das wollten weder Republikaner noch Demokraten. „Eine Neuauflage von TTIP steht also nicht auf der Agenda.“

KEINE VERÄNDERUNG IN UKRAINE-POLITIK

Für Aufregung auch bei den Verbündeten sorgte, dass sowohl Republikaner als auch Demokraten weitere Ukraine-Militärhilfe infrage gestellt hatten. Regierungssprecher Steffen Hebestreit wiegelt ab: Der US-Präsident sei „wild entschlossen“, die Ukraine weiter zu unterstützen. Auf beiden Seiten des politischen Spektrums habe man kritische Bemerkungen zudem wieder zurückgenommen. „Falls die Republikaner im Repräsentantenhaus die Mehrheit bekommen sollten, könnte der US-Präsident Schwierigkeiten bei den Lieferungen von Waffen an die Ukraine bekommen“, glaubt SPD-Außenpolitiker Schmid aber. „Der wahrscheinliche künftige republikanische Parlamentspräsident McCarthy hat bereits hinterfragt, ob die Unterstützung der Ukraine im gleichen Ausmaß weitergeführt oder die Mittel nicht besser zur Sicherung der Grenzen der USA verwendet werden sollen“, betont MSC-Chef Heusgen. 

Dennoch erwartet auch der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung keine wirklich Wende der US-Politik gegenüber Russland und Ukraine nach den Wahlen. „Beide Seiten sehen Russland heute vor allem im Zusammenhang mit China. Deshalb erwarte ich, dass der Kurs sehr kritisch gegenüber Moskau und Peking bleiben wird“, sagt Link. Die Kosten für die Waffenhilfe würde im Wahlkampf eher aus innenpolitischen Gründen hinterfragt – weil man das Geld im eigenen Land einsetzen wolle. „Die Kritik etwa der Republikaner kann aber schnell zu Ende sein, wenn die Rezession beendet ist“, sagt Link. Beim Thema China erwarten alle eine sich verschärfende Tonlage Washingtons – die aber auch von der Entwicklung um Taiwan abhängig sei.

Zudem wird die Industriepolitik von US-Präsident Biden derzeit als sehr problematisch angesehen. Mit Sorge sehen Bundesregierung und EU nach Angaben von Diplomaten, dass niedrige Energiepreise, riesige US-Subventionen und ein neuer US-Protektionismus derzeit Investitionsströme aus Europa und Deutschland gezielt in die USA lenken. Und niemand weiß, ob sich die Spannungen mit dem wichtigsten militärischen Verbündeten nicht nach 2024 verschärfen – etwa mit einer Wiederwahl Trumps. „Dann wird man sehen, ob wir die Waffen, die wir jetzt in den USA bestellen, noch bekommen“, heißt es in Regierungskreisen.

„Deshalb muss unabhängig von den Wahlen die vom Bundeskanzler verkündete Zeitenwende zügig umgesetzt werden“, fordert MSC-Chef Heusgen. „Die konkreten Verteidigungsprojekte müssen jetzt auf die Schiene gesetzt werden.“ Dass es gerade jetzt zwischen Deutschland und Frankreich hake, sei „ein Alptraum“, fügt er mit Blick auf gemeinsame Waffenprojekte hinzu. „Ein mehr auf sich und auf den Wettbewerb mit China konzentriertes Amerika heißt auch, dass bei der Verteidigung Europas gegen die russische Aggression Deutschland mehr Führung zeigen muss.“

US-Kongresswahl – Für Bundesregierung nur eines ihrer Amerika-Probleme

Quelle: Reuters

Titelfoto: Symbolfoto

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