Moskau, 27. Jul (Reuters) – Seit Wochen streiten Russland und Deutschland um Gas-Lieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Der russische Gasriese Gazprom hat den Gasfluss gedrosselt und macht dafür unter anderem aus Deutschland stammende Maschinen verantwortlich. Die Regierung in Berlin kontert, die angeblichen technischen Probleme seien nur ein Vorwand, um Druck wegen der Sanktionen des Westens im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg auszuüben.
Nach einer zehntägigen Wartungsunterbrechung hat Gazprom vergangene Woche wieder Gas durch die Pipeline gepumpt, allerdings in geringerer Menge als zuvor. Am Mittwochmorgen schränkte der Staats-Konzern abermals die Gasmenge von 40 Prozent auf 20 Prozent der Pipeline-Kapazität ein. Die Regierung in Moskau rechtfertige dies erneut mit technischen Mängeln und durch Sanktionen erschwerte Wartungen. Im folgen Einzelheiten zu dem Streit.
DER AUSGANGSPUNKT
Eine wichtige Rolle in dem Streit spielt SGT-A65, eine zwölf Meter lange und 20 Tonnen schwere Turbine von Siemens Energy. Die Maschine wird zum Transport des Gases durch die Pipeline benötigt. Die Turbine sollte nach ihrer Wartung in Kanada über Deutschland zurück zur Verdichterstation von Gazprom in Portowaja transportiert werden. Sie steckt nach Angaben des russischen Präsidialamtes jedoch bislang in Deutschland fest.
Gazprom begründet die Drosselung der Gaslieferungen mit der durch Sanktionen erschwerten Rückkehr der gewarteten Siemens-Turbine. Außerdem müsse eine weitere Turbine gewartet werden, was die Kapazität verringere. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hält das für gelogen und spricht von einem Wirtschaftskrieg. Nach Angaben von Siemens Energy ist die Wartung der Turbine ein Routineverfahren, welches in den letzten zehn Jahren zu keinerlei Komplikationen geführt hat.
DIE TECHNIK
Die umstrittene Turbine ist eine van acht derartigen Maschinen in Portowaja. Sie wurden ursprünglich von Rolls Royce hergestellt, bis die Sparte von 2014 von Siemens Energy übernommen wurde. Sechs dieser Turbinen haben Gazprom zufolge eine Leistungskapazität von jeweils 52 Megawatt (MW), zwei Einheiten können mit jeweils 27 MW ausgelastet werden.
Darüber hinaus gibt es einem Insider zufolge vier Reserveturbinen vor Ort. So könne sichergestellt werden, dass das Gas auch dann weiter fließt, wenn die Haupt-Turbinen zur Wartung abtransportiert werden müssen. Dies passiert in der Regel alle zwei bis drei Jahre. Bis zu zwei große Turbinen können nach Angaben des Insiders im Leerlauf sein oder gewartet werden, ohne die Kapazität des Kraftwerks verringern zu müssen. Gazprom machte zunächst keine Angaben zu den technischen Vorgängen.
PORTOWAJA
Die Verdichterstation Portowaja befindet sich im äußersten Westen Russlands an der Küste des finnischen Meerbusens. Von Portowaja aus wird Erdgas durch die 1224 Kilometer lange Nord Stream 1 Pipeline bis zur Anlandung im deutschen Greifswald gepumpt. Die Verdichterstation an der Ostsee ist nach Angaben von Gazprom die größte der Welt.
Nord Stream 1 ist für eine Kapazität von 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr ausgelegt. Nach Modifikationen wurden in den Jahren 2020 und 2021 mehr als 59 Milliarden Kubikmeter Gas von Russland nach Deutschland transportiert. Dies entspricht mehr als ein Drittel der gesamten russischen Gaslieferungen in die EU.
RUSSISCHE TURBINEN
Russland wolle im Interesse des russischen Energiesektors die Erprobung eigener Turbinen voranbringen, sagte der russische Industrie- und Handelsminister Denis Manturow Anfang Juli. Bislang hat Russland Turbinen mit einer Höchstleistung von 25 Megawatt hergestellt. Das Maschinenbauunternehmen Power Machines arbeitet nach eigenen Angaben an der Fertigstellung von zwei Turbinen mit einer Leistung von jeweils 65 MW und 170 MW. Diese sollen zwischen 2022 und 2024 in den Probebetrieb gehen.
Turbinen spielen zentrale Rolle im Streit um Gaslieferungen
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