Kiew, 17. Okt – Russland hat am Montag die ukrainische Hauptstadt Kiew aus der Luft angegriffen – mitten im morgendlichen Berufsverkehr und zum zweiten Mal binnen einer Woche. Bürgermeister Vitali Klitschko teilte mit, es seien mehrere Wohngebäude beschädigt worden. Mindestens drei Menschen wurden getötet. Auch aus anderen Städten wurden Angriffe gemeldet, bei denen Menschen ums Leben kamen.
Weil Russland nach ukrainischen Angaben sogenannte Kamikaze-Drohnen aus iranischer Produktion einsetzt, rückt der Iran verstärkt ins Blickfeld. So drohten mehrere EU-Außenminister vor ihrer Sitzung in Luxemburg mit weiteren Sanktionen gegen den Iran, sollte sich die Lieferung von Schahed-Drohnen ans russische Militär bewahrheiten.
Mehrere Explosionen waren im zentralen Kiewer Bezirk Schewtschenkiwskji gegen acht Uhr morgens (07.00 Uhr MESZ) zu hören, als viele Menschen unterwegs zur Arbeit oder Schule waren. Gut eine Stunde zuvor hatte die erste Explosionswelle einige Wohngebäude getroffen. „Rettungskräfte sind vor Ort“, schrieb Klitschko auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Vermutlich habe es einen Drohnenangriff gegeben, durch den Feuer auch in einem anderen Gebäude, in dem es keine Wohnungen gab, ausgebrochen sei. Auch das ukrainische Präsidialamt sprach von einem Drohnenangriff.
„NUR RUSSISCHE ZUCKUNGEN“
Die Stadtverwaltung teilte nach den ersten Detonationen am Morgen mit, es werde gezielt „kritische Infrastruktur“ angegriffen. So wurde ein zentraler Bahnhof getroffen. Der Stabschef von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Andrij Jermak, sprach auf Telegram von Angriffen mit Kamikaze-Drohnen. „Die Russen denken, dass ihnen das helfen wird. Aber solche Aktionen sind nur ihre Zuckungen.“
Die Ukraine hat in den vergangenen Wochen eine Flut russischer Angriffe mit im Iran hergestellten Schahed-136-Drohnen gemeldet. Allein seit Sonntagabend seien 37 russische Drohnen abgefangen worden – das seien 85 Prozent der Angriffe, teilte das Militär mit.
Die russische Führung hat sich zu einem Einsatz von Kamikaze-Drohnen nicht geäußert. Die iranische Regierung bestritt am Montag, dass sie an Russland Drohnen zum Einsatz in der Ukraine geliefert hat. Solche Nachrichten seien politisch motiviert und würden vom Westen verbreitet, sagte der Sprecher des Außenministeriums in Teheran, Nasser Kanaani. „Wir haben keines der im Krieg befindlichen Länder mit Waffen versorgt.“
„Wir werden nach konkreten Beweisen für die Beteiligung suchen“, sagte dagegen der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit Blick auf den Iran. Sollte sich die Lieferung iranischer Drohnen an Russland bewahrheiten, zöge das nach den Worten des luxemburgischen Außenministers Jean Asselborn harte Sanktionen gegen den Iran nach sich. „Dann wird es nicht mehr darum gehen, einzelne Personen zu sanktionieren.“
Ähnlich äußerte sich der dänische Außenminister Jeppe Kofod. „Was wir jetzt sehen: Iranische Drohnen werden offenbar eingesetzt, um mitten in Kiew anzugreifen.“ Auch darauf müsse die EU mit konkreten Schritten reagieren, sagte er mit Blick auf geplante EU-Strafmaßnahmen wegen des massiven Vorgehens iranischer Sicherheitskräfte gegen Demonstranten.
RUSSLAND WIRD WOHL NACHSCHUB ÜBER MARIUPOL VERSTÄRKEN
Russland hatte bei der ersten Angriffswelle auf Kiew vor einer Woche von Vergeltung für die Explosion auf der Krim-Brücke am 8. Oktober gesprochen, für die die Führung in Moskau die Ukraine verantwortlich macht. Diese Brücke, die über die Straße von Kertsch führt und die 2014 von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim mit dem russischen Kernland verbindet, ist von großer Bedeutung für den Nachschub der russischen Truppen im Süden der Ukraine.
Dass sie nun stark beschädigt ist, verschärft nach Einschätzung des britischen Geheimdienstes die Versorgungslage der russischen Truppen. Die russischen Truppen in der Südukraine würden vermutlich jetzt ihren Nachschub über die Hafenstadt Mariupol verstärken.
Auch im Süden der Ukraine griff Russland nach eigenen Angaben militärische Ziele und die Energie-Infrastruktur massiv aus der Luft an. Dabei seien Hochpräzisionswaffen eingesetzt worden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Alle Ziele seien getroffen worden, darunter ein Treibstofflager und ein Stützpunkt zur Waffenreparatur bei Mykolajiw. Zudem sei ein Versuch ukrainischer Truppen, die russischen Linien in Cherson zu durchbrechen, vereitelt worden. Die Region liegt gegenüber der Krim.
Tote bei Luftangriff auf Kiew – Kamikaze-Drohnen im Einsatz
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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