Frankfurt, 01. Sep – Der Pilotenstreik am Freitag zwingt die Lufthansa dazu, einen Großteil ihrer Abflüge in Deutschland zu streichen. Insgesamt seien 800 Flüge, darunter fast alle von und nach München und Frankfurt gestrichen, teilte die Lufthansa am Donnerstag mit. Betroffen seien voraussichtlich 130.000 Fluggäste. „Uns fehlt jedes Verständnis für den Streikaufruf der VC“, erklärte Lufthansa-Personalchef Michael Niggemann. Die Airline habe ein sehr gutes Angebot gemacht. Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) hatte am Mittwochabend die Gespräche für gescheitert erklärt, weil das Angebot unzureichend sei. „Daher bleibt uns nur, mit einem Arbeitskampf unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen“, erklärte die VC. Die mehr als 5000 Beschäftigten sind zur Arbeitsniederlegung ab 0.01 Uhr am Freitag aufgerufen.
Bestreikt werden sollen die von Deutschland abgehenden Flüge der Lufthansa. Ein Teil der Rückflüge ist nicht betroffen, damit Piloten aus dem Ausland heimkehren können. Es ist nicht der erste Streik, der die Lufthansa trifft: Vor einigen Wochen sorgte ein eintägiger Ausstand des Lufthansa-Bodenpersonals für mehr als 900 Flugausfälle. Der Arbeitskampf erwischt die Airline mitten in der Hochsaison, in der noch viele Urlauber unterwegs sind und die Geschäftsreisen wieder anziehen. Die Börse quittierte die Eskalation des Tarifstreits mit Kursabschlägen der Lufthansa-Papiere von mehr als 3,5 Prozent.
VERHÄRTETE FRONTEN
Die Lufthansa veröffentlichte die Liste von 16 Forderungen der VC. Die Personalkosten im Cockpit würden damit um 40 Prozent oder rund 900 Millionen Euro über die nächsten zwei Jahre steigen, erklärte die Airline. „Dies ist, auch ohne die finanziellen Folgen der Corona-Krise zu berücksichtigen, außerhalb des Vertretbaren.“ Die Gewerkschaft wollte die Zahl nicht kommentieren und keine Gegenrechnung aufmachen. „Das ist sehr plakativ und trägt nicht zur Lösung bei“, kritisierte VC-Sprecher Matthias Baier. Der VC zufolge wäre ein Streik mit einem konkreten höheren Angebot des Arbeitgebers noch abzuwenden. Danach sah es aber nicht aus.
Die VC pocht auf Reallohnsicherung in Zeiten hoher Inflation und Verbesserungen in der Tarifstruktur für Berufseinsteiger. Rückwirkend zum 1. Juli sollen die Vergütungen um 5,5 Prozent steigen. Ab 2023 wollen sie einen automatischen Inflationsausgleich, der rückwirkend auf der Jahresinflation mit einem Aufschlag beruhen würde. Eine solche Regelung gibt es bei der Lufthansa-Tochter Eurowings schon seit 2015. Der Lufthansa zufolge wollen die Piloten außerdem mehr Geld bei Krankheit, Urlaub und Schulungen.
Die Lufthansa bezifferte ihr Angebot bei 18 Monaten Laufzeit auf 900 Euro mehr Grundvergütung pro Monat. Die Einstiegsgehälter stiegen dabei um mehr als 18 Prozent, die oberste Gehaltsgruppe bekäme fünf Prozent mehr. Die Spanne der Pilotengehälter reicht derzeit von 69.000 Euro im Jahr für den Nachwuchs bis zu 275.000 Euro Spitzengehalt.
PASSAGIERE LEIDGEPRÜFT
Überall in Europa kam es bei Airlines und Flughafen-Dienstleistern in den letzten Monaten zu Tarifkämpfen mit Streiks. Nach zwei Jahren Verzicht während der Corona-Pandemie und angesichts hoher Arbeitsbelastung durch massiven Personalmangel nach der Krise wollen Gewerkschaften für die Beschäftigten möglichst viel herausholen. Streiks der gewerkschaftlich gut organisierten Piloten haben eine durchschlagende Wirkung. Auch bei der Lufthansa-Tochter Eurowings ist im schwelenden Tarifkonflikt jederzeit ein Streikaufruf möglich, nachdem die Gewerkschaftsmitglieder in einer Urabstimmung für Arbeitskampfmaßnahmen gestimmt hatten.
Neben Streiks kämpft die Luftfahrt-Branche mit Engpässen nach der Corona-Krise. So strich die Lufthansa im Sommer Tausende Flüge wegen Personalmangels an Flughäfen und bei der Airline selbst. Schon das sorgte für Verdruss bei Hunderttausenden Kunden.
Streik der Lufthansa-Piloten trifft Tausende Passagiere
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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