Berlin, 15. Okt (Reuters) – Bundeskanzler Olaf Scholz plädiert für eine deutliche Erweiterung der EU, damit die Union eine größere geopolitische Rolle spielen kann. „Eine EU mit 27, 30, 36 Staaten mit dann mehr als 500 Millionen freien und gleichberechtigten Bürgerinnen und Bürgern kann ihr Gewicht in der Welt noch stärker zur Geltung bringen“, sagte der SPD-Politiker am Samstag in Berlin auf dem Kongress der Parteienfamilie der europäischen Sozialdemokraten (SPE). Gegenwärtig hat die EU 27 Mitgliedsstaaten mit insgesamt knapp 450 Millionen Einwohnern.
Scholz sagte, die EU hätte in einer Welt mit bald zehn Milliarden Menschen den größten Binnenmarkt, führende Forschungseinrichtungen, innovative Unternehmen und stabile Demokratien und könnte ihre Werte besser vertreten. „Ich setze mich für die Erweiterung der EU ein. Dass die EU weiter in Richtung Osten wächst, ist für uns alle ein Gewinn“, betonte er. Beitrittskandidaten wie die Ukraine, Moldau, die Westbalkan-Staaten und perspektivisch Georgien müssten aber auch die Kriterien für einen Beitritt erfüllen. Die EU sei gerade gegenüber den Westbalkan-Staaten in einer Bringschuld.
Die EU selbst müsse sich durch Reformen fit machen, um aufnahmefähig zu werden. Scholz forderte erneut den schrittweisen Übergang von der Einstimmigkeit bei außen- und steuerpolitischen Entscheidungen in der EU-27 zu Mehrheitsentscheidungen. Dies hatte auch die SPE in ihrer Berliner Erklärung gefordert. „Mehrheitsentscheidungen sind ein Gewinn und kein Verlust an Souveränität“, sagte der Kanzler. Er betonte, dass man dabei auch die Interessen kleiner Länder berücksichtigen müsse.
Scholz betonte zudem die Bedeutung des von Deutschland vorgeschlagenen Luftabwehrschirms, der mit mehr als einem Dutzend EU-Staaten entstehen soll. Länder wie Frankreich sind allerdings nicht eingebunden. „Das bedeutet auch, solidarisch zusammenzustehen.“ Er betonte die Bedeutung der Nato als Sicherheits-Stütze für Europa. Zugleich müssten die Europäer aber ihre gemeinsame Sicherheitspolitik ausbauen. Dazu gehöre eine gemeinsame Beschaffung von Waffen, eine schnelle Eingreiftruppe der EU bis 2025 sowie ein eigenes EU-Hauptquartier. „Wir müssen selbstbewusst und gemeinsam europäische Verteidigungsanstrengungen voranbringen.“
Um souveräner zu werden, müsse sich Europa unabhängiger von Rohstofflieferungen aus autoritären Staaten machen. „Im Kern bedeutet europäische Souveränität, dass wir auf allen Feldern eigenständiger werden.“ Scholz setzte sich zudem für eine härtere Politik bei der Abwehr illegaler Migration in die EU ein. Gleichzeitig müsse man aber mehr legale Wege schaffen, damit Fachkräfte nach Europa kommen könnten. Hintergrund ist die starke Zunahme der Zahl an ankommenden Migranten und Flüchtlingen in der EU.
Ohne Länder wie Ungarn oder Polen zu nennen, sprach sich Scholz dafür aus, auf die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der EU zu pochen. Man unterstütze den Kurs der EU-Kommission. Ungarn und Polen werden Verstöße gegen die Freiheit der Medien und Justiz vorgeworfen.
Scholz – EU mit 36 statt 27 Mitgliedern hätte mehr Gewicht
Quelle: Reuters
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