Moskau/Donezk/München, 20. Feb (Reuters) – Ungeachtet westlicher Warnungen nach harten Sanktionen bleibt Russland im Konflikt um die Ukraine unnachgiebig. Das belarussische Verteidigungsministerium kündigte am Sonntag an, dass ein Manöver mit russischen Truppen verlängert werde. Zur Begründung wurde auf „zunehmende militärische Aktivitäten an den Außengrenzen“ Russlands und von Belarus sowie die eskalierende Lage in der Ost-Ukraine verwiesen.
Ursprünglich sollte das Großmanöver am Sonntag enden. Nach Nato-Angaben sind rund 30.000 russische Soldaten in Belarus stationiert, das an den Norden der Ukraine grenzt. Im Osten der Ukraine hielten die Gefechte an, immer wieder waren Explosionen vor allem in der Region um Donezk zu hören.
Das russische Präsidialamt nannte die Lage an der sogenannten Kontaktlinie im Donbass „maximal belastet“. Jegliche kleinere Provokation könne zu irreparablen Konsequenzen führen, wurde Kreml-Sprecher Dmitri Peskow von der Nachrichtenagentur Interfax zitiert.
Die ständigen Warnungen des Westens an Russland vor einer Invasion seien eine Provokation und könnten gegenteilige Konsequenzen haben. Präsident Wladimir Putin telefonierte unterdessen mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Beide Seiten teilten darauf hin mit, beide Politiker wollten die Diplomatie stärken und auf eine Waffenruhe im Donbass hinarbeiten. Russischen Angaben zufolge wies Putin die Verantwortung für die Eskalation der Ukraine zu.
US-Außenminister Antony Blinken warnte erneut vor einem bevorstehenden Angriff auf die Ukraine. Präsident Joe Biden sei bereit, jederzeit und in jedem Format mit Putin zu sprechen. Der britische Premierminister Boris Johnson befürchtet bei Putin allerdings ein nicht logisches Vorgehen.
Die Androhung harter Sanktionen reiche womöglich nicht aus, um „einen irrationalen Akteur abzuschrecken“, sagte Johnson in der BBC. „Wir müssen im Moment akzeptieren, dass Wladimir Putin möglicherweise nicht logisch denkt und das Desaster nicht sieht, das vor ihm liegt.“ Es drohe der potenziell größte militärische Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.
Zugleich deutete Johnson an, dass Russland für den Fall einer Invasion in die Ukraine Sanktionen drohe, die deutlich weitreichender ausfallen würden als bislang in der Öffentlichkeit angedeutet. Die USA und Großbritannien hätten vor, den Zugang russischer Firmen zu Dollar und Pfund zu kappen, sagte Johnson der BBC. Auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris warnte die Führung in Moskau auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag vor „nie dagewesenen“ Sanktionen im Falle eines Angriffes auf die Ukraine. „Wir werden Russlands Finanzinstitutionen und Kernindustrien ins Visier nehmen.“
Die Europäer wollen parallel dazu die Ukraine verstärkt wirtschaftlich unterstützen. EU-Ratspräsident Charles Michel sagte in München, er habe zu einer Geberkonferenz für das Land aufgerufen. Man habe bereits ein Paket in Höhe von 1,2 Milliarden Euro geschnürt. Die Ukraine solle zudem näher an die Europäische Union herangeführt werden.
Russland unterliege einer Fehlkalkulation, wenn es glaube, den Westen und die Ukraine schwächen zu können. Bei dem Münchner Treffen machten Spitzenvertreter aus den USA und Europa deutlich, dass sie sich nicht spalten ließen. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht sagte, bei Gesprächen westlicher Vertreter mit Putin sei das Wichtigste, „dass er dabei immer dieselbe Botschaft hört.“
„PHASE DER BEDROHUNG“
Auch die G7-Außenminister betonten nach einer Sondersitzung am Samstag am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz die Einheit des Westens und riefen Moskau auf, von einer Invasion der Ukraine abzusehen. „Russlands grundloses und ungerechtfertigtes Zusammenziehen von Streitkräften, die größte Mobilisierung auf dem europäischen Kontinent seit dem Ende des Kalten Krieges, ist eine Herausforderung für die globale Sicherheit und die internationale Ordnung“, erklärten die Außenminister Deutschlands, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Großbritannien und den USA. „Wir sind besorgt, dass inszenierte Vorfälle als Vorwand für eine mögliche militärische Eskalation missbraucht werden könnten.“
Die Zahl der Explosionen in der Ost-Ukraine nahm nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stetig zu. Am Freitag habe es mehr als 1400 Detonationen nach 654 einen Tag zuvor gegeben, teilten Beobachter der OSZE mit. Außerdem habe es mehr als 1500 Verletzungen des Waffenstillstands gegeben nach 870 am Tag zuvor.
Laut einem Diplomaten wurden am Samstag sogar fast 2000 Explosionen gezählt. Dabei wurden Berichten zufolge zwei ukrainische Soldaten getötet und vier verletzt. Die Entwicklung setzte sich am Sonntag unvermindert fort. Allein an der Grenze zur Ost-Ukraine hat Russland mehr als 100.000 Soldaten zusammengezogen. Die Regierung in Moskau hat allerdings mehrfach betont, dass sie nicht vorhabe, die Ukraine anzugreifen. Stattdessen fordert Russland vom Westen Sicherheitsgarantien, die dieser allerdings ablehnt.
Russland bleibt in Ukraine-Konflikt hart – Manöver verlängert
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