München, 01. Mrz – Im Prozess um die milliardenschwere Pleite des Zahlungsdienstleisters Wirecard hat der Vorsitzende Richter Markus Födisch Zweifel an Angaben des angeklagten Ex-Chefs Markus Braun geäußert. Bei Brauns Befragung machte Födisch am Mittwoch im Landgericht München wiederholt deutlich, dass er dessen Schilderung von Vorgängen bei dem einstigen Dax-Konzern nicht nachvollziehen könne. „Ich verstehe es nicht“, sagte Födisch wiederholt. „Ich verstehe es einfach nicht.“
Wirecard war im Juni 2020 zusammengebrochen, als aufflog, dass auf Treuhandkonten in Asien 1,9 Milliarden Euro fehlten. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun und zwei weiteren Angeklagten Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Untreue und Bandenbetrug vor. Die Ermittler zeigen sich überzeugt, dass die drei Manager die Milliardensumme erfunden hätten, um den eigentlich unprofitablen Konzern schönzurechnen. Um die Fälschungen zu verschleiern, habe man angebliche Geschäftsteile an so genannte Drittpartner ausgelagert. Braun hingegen gibt an, dass das Drittpartner-Geschäft existiert habe und das Geld hinter seinem Rücken beiseitegeschafft worden sei.
Unzufrieden zeigte sich Richter Födisch am Mittwoch mit Brauns Erläuterungen, welchen Grund Wirecard überhaupt für eine Auslagerung lukrativer Geschäfte gehabt haben solle. „Ich verstehe nicht, warum Sie da ein Teil des Kuchens abgegeben haben“, sagte der Richter. Brauns Einwand, Wirecard hätten damals entsprechende Lizenzen gefehlt, überzeuge ihn nicht, da die Drittpartner selbst ebenfalls keine Lizenzen gehabt hätten. Auch für die Unternehmen, für die Zahlungen abgewickelt worden sein sollen, sah der Richter keinen Grund, sich von Drittpartnern statt von der bekannteren Wirecard betreuen zu lassen. „Sie waren ja wahrscheinlich der weitaus attraktivere Partner.“
Eingehend hakte der Richter nach, warum Braun nicht bereits in einer Börsenmitteilung zwei Monate vor dem Zusammenbruch deutlich gemacht habe, dass es keine Belege für die Treuhandguthaben gab. Braun hatte in der Adhoc-Mitteilung am 22. April 2020 erklärt, bei einer Sonderuntersuchung seien keine Belege für eine Bilanzmanipulation gefunden worden. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft konnte die Prüfgesellschaft KPMG jedoch solche Belege gar nicht finden, weil die Prüfer keinen umfassenden Einblick bekommen hätten. Zur Begründung sagte Braun nun, er habe damit gerechnet, dass Wirecard fehlende Unterlagen hätte nachreichen können. „Es ist doch nicht der Maßstab, was Sie glauben“, entgegnete der Richter. „Wenn man einen Teil nicht prüfen kann, dann ergibt sich natürlich auch nichts.“
Richter äußert Zweifel an Aussagen von angeklagtem Ex-Wirecard-Chef
Quelle: Reuters
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