Frankfurt, 29. Sep – Die Furcht vor den wirtschaftlichen Folgen weiterer drastischer Zinserhöhungen und enttäuschende Firmenbilanzen schicken Europas Börsen auf Talfahrt. Weder das Debüt des Sportwagenbauers Porsche noch der 200 Milliarden Euro schwere Schutzschirm des Bundes zur Abfederung steigender Energiekosten hellte die Stimmung auf. Dax und EuroStoxx50 fielen am Donnerstag um jeweils 1,7 Prozent auf 11.975 beziehungsweise 3279 Punkte. Der US-Standardwerteindex Dow Jones büßte bis dahin 1,24 Prozent ein.
„Selten habe ich eine derart schlechte Stimmung beobachtet“, sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Die gute Nachricht sei, dass dies ein nahendes Ende des Ausverkaufs signalisiere. Die schlechte Nachricht dagegen sei, dass der Zeitpunkt der Trendwende ebenso unklar bleibe wie das Ausmaß der Blessuren in den Depots der Anleger.
Nervös machte der wachsende Preisdruck. Die Inflation in Deutschland stieg im September auf zehn Prozent zum Vorjahresmonat. Analysten hatten mit einem Wert von 9,4 Prozent gerechnet. „Die hohe Inflation wirkt wie eine Vollbremsung für die Konjunktur“, erläuterte Volkswirt Michael Heise vom Vermögensverwalter HQ Trust. „Geringere Kaufkraft und weniger Konsum der privaten Haushalte, steigende Produktionskosten der Unternehmen und konjunkturdämpfende Anti-Inflationsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) kommen zusammen.“
ERNEUTER AUSVERKAUF BEI ANLEIHEN – EURO SCHWÄCHELT EBENFALLS
Vor diesem Hintergrund prognostizieren die führenden Forschungsinstitute ein deutlich höheres Zinserhöhungstempo der EZB als bislang gedacht. Außerdem sei eine Rezession in Deutschland unausweichlich. Investoren rechnen für die EZB-Sitzung Ende Oktober mehrheitlich mit einer Anhebung um 0,75 Prozentpunkte. Die Wahrscheinlichkeit eines Schritts um einen vollen Prozentpunkt taxieren sie auf etwa 40 Prozent.
Daher flogen bereits gehandelte, niedriger verzinste Staatsanleihen aus den Depots. Dies trieb die Rendite der zehnjährigen Bundestitel wieder in Richtung ihres jüngsten Elf-Jahres-Hochs von 2,352 Prozent.
Der Euro konnte von den Zinserhöhungsspekulationen nicht profitieren und sank weiter auf 0,9794 Dollar. Er leide unter der Energiekrise und der Verunsicherung im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Sabotage an Erdgas-Pipelines in der Ostsee, sagte Commerzbank-Analystin Esther Reichelt. Außerdem bezweifelten Börsianer, dass die EZB angesichts der drohenden Rezession ihre Geldpolitik ähnlich deutlich straffen werde wie die US-Notenbank Fed.
Derweil entspannte sich dank kontinuierlicher Lieferungen von Flüssiggas (LNG) die Lage am Energiemarkt. Außerdem dämpfe das milde Wetter die Nachfrage, schrieben die EnergyScan, dem Datenanbieter des Versorgers Engie. Der europäische Erdgas-Future gab 7,73 Prozent auf 185 Euro je Megawattstunde nach.
PORSCHE BEHAUPTET SICH IN SCHWIERIGEM UMFELD
Am Aktienmarkt drehte sich unterdessen alles um die Porsche: Die Titel des Börsendebütanten lagen am Abend mit 82,50 Euro genau bei ihrem Ausgabepreis von 82,50 Euro. Die Papiere des Großaktionärs Volkswagen rutschten dagegen um 6,85 Prozent ab. „Es scheint Umschichtungen von Volkswagen zu Porsche zu geben“, sagte Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst des Online-Brokers CMC Markets. Der Sportwagenbauer werde von einigen Anlegern als Luxusgüter-Hersteller gesehen und daher höher bewertet als ein Industriekonzern. „Vor dem Hintergrund des Marktumfeldes ist dies ein erfolgreicher Börsengang.“
An der Wall Street setzte der Sturm „Ian“ zahlreichen Unternehmen zu, weil Flüge und Kreuzfahrten in den betroffenen US-Bundesstaaten gestrichen oder Filialen gesschlossen wurden. Die Aktien der Fluggesellschaften American Airlines, Delta und United sowie der Reedereien Carnival Cruise, Royal Caribbean und Norwegian fielen. Die Titel von Einzelhändlern wie Walmart, Target oder Home Depot gaben ebenfalls nach.
Rezessionsangst setzt Europas Börsen zu – Porsche im Blick
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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