Samstag, Dezember 28, 2024
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Prozess gegen Ex-Wirecard-Chef beginnt mit Verspätung

Überschrift – Staatsanwalt – Wirecard-Chef tarnte Scheingeschäfte gezielt

München, 08. Dez – Der frühere Wirecard-Vorstandschef Markus Braun hat nach Darstellung der Münchner Staatsanwaltschaft jahrelang bewusst verhindert, dass erfundene Geschäftsbereiche aufflogen. Er habe gemeinsam mit weiteren Verantwortlichen angebliche Zahlungsdienstleistungen für Anbieter von Pornographie und Glücksspiel an Drittpartner ausgelagert, sagte Staatsanwalt Matthias Bühring am Donnerstag bei der Verlesung der Anklage im Strafprozess vor dem Landgericht München. Tatsächlich habe das bei Wirecard verbuchte Geschäft mit diesen „Third Party Acquirers“ (TPA) nie existiert.

Treuhandkonten mit TPA-Erlösen seien fingiert worden. Die angeblichen TPA-Partner hätten dafür finanzielle Vorteile erhalten. „Mit dieser Vereinbarung legten die Bandenmitglieder das Fundament für die in den Folgejahren, jedenfalls zwischen Ende 2015 bis Mitte 2020, ersonnenen, geplanten und ausgeführten Straftaten der unrichtigen Darstellung, der Markmanipulation, des gewerbsmäßigen Bandenbetruges und der Untreue“, sagte Bühring. Das so geschaffene Trugbild habe auch dazu gedient, Gelder aus dem Unternehmen zu schleusen. Es sei ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden.

Weil Pornographie und Glücksspiel als Hochrisikogeschäft eingestuft würden, habe die Bande um Braun eine Legitimation dafür gehabt, das vorgebliche Geschäft auszulagern, sagte der Staatsanwalt. Der Kontakt zu den angeblichen TPA-Partnern sei einzelnen Komplizen vorbehalten gewesen, vornehmlich dem untergetauchten Vorstandsmitglied Jan Marsalek. Damit sei es möglich gewesen, „eine effektive interne Kontrolle der tatsächlichen Vorgänge auszuschalten“. Bei derartigen Geschäften seien höhere Margen üblich. Damit habe die Wirecard-Führung die angegebenen hohen Gewinne begründen können.

Die angeblichen TPA-Partner Al Alam in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten, PayEasy auf den Philippinen und Senjo Payment in Singapur seien von Mitgliedern der Bande gesteuert worden, sagte Bühring. Der PayEasy-Chef sei tot, gegen den Senjo-Chef werde noch ermittelt. Al Alam sei faktisch vom Angeklagten Oliver Bellenhaus kontrolliert worden. Dieser habe regelmäßig Abrechnungen und Saldenbestätigungen bei Chefbuchhalter Stephan von Erffa eingereicht, der ebenfalls auf der Anklagebank sitzt. Die Zahlen habe Bellenhaus auf Wunsch der beiden anderen Angeklagten gefälscht. Dabei habe er sich an den Finanzzielen von Vorstandschef Braun orientiert und sich bei von Erffa regelmäßig rückversichert.

München, 08. Dez – Zweieinhalb Jahre nach der spektakulären Pleite des Finanzkonzerns Wirecard hat vor dem Landgericht München der Strafprozess gegen den ehemaligen Vorstandschef Markus Braun begonnen. Der Vorsitzende Richter Markus Födisch eröffnete die Verhandlung am Donnerstagmorgen mit einer Dreiviertelstunde Verspätung im Gerichtssaal im Münchner Gefängnis Stadelheim. Die Einlasskontrollen hätten länger gedauert als gedacht, erklärte Födisch die Verzögerung. Auf der Anklagebank sitzen neben Braun der frühere Statthalter von Wirecard in Dubai, Oliver Bellenhaus, und Chefbuchhalter Stephan von Erffa. Neben ihnen nahmen insgesamt zwölf Verteidigerinnen und Verteidiger Platz.

Der 53-jährige Braun betrat aus einer Seitentür, die zum angrenzenden Gefängnis führt, schweigend den Gerichtssaal und nahm neben seinen vier Verteidigern Platz. Der Österreicher trug einen dunklen Rollkragenpullover und ein dunkles Sakko. Er hatte einen Laptop in der Hand. Es ist sein erster öffentlicher Auftritt seit mehr als zwei Jahren. Braun kam nach dem Zusammenbruch von Wirecard im Sommer 2020 in Untersuchungshaft. Im November desselben Jahres wurde er im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags als Zeuge befragt. 

Auf den Zuschauerplätzen im Gerichtssaal saßen mehrere Dutzend Journalisten und andere Beobachter. Es blieben allerdings einige Plätze frei. Zehntausende Wirecard-Aktionäre hatten mit der Insolvenz mehr als 20 Milliarden Euro verloren, Banken und andere Gläubiger blieben auf mehr als drei Milliarden Euro sitzen.

In einem der größten Finanzskandale der deutschen Geschichte wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Untreue und gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor. Staatsanwalt Matthias Bühring und zwei seiner Kollegen begannen am Donnerstag mit der Verlesung der Anklage. Das soll rund fünf Stunden dauern. Die Anklageschrift umfasst mit allen Dokumenten 474 Seiten.

Danach ist eine erste Stellungnahme von Brauns Verteidiger Alfred Dierlamm vorgesehen. Er hat die Vorwürfe bereits früher zurückgewiesen. Bellenhaus gilt als Kronzeuge. Von Erffa hat zu den strafrechtlichen Vorwürfen zuletzt geschwiegen. Ein Urteil wird frühestens im übernächsten Jahr erwartet.

Prozess gegen Ex-Wirecard-Chef beginnt mit Verspätung

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von 3D Animation Production Company auf Pixabay

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