Berlin, 07. Jan (Reuters) – Die von hartnäckigen Materialengpässen geplagte deutsche Wirtschaft hat ihre Produktion im November überraschend gedrosselt. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 0,2 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Freitag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen mit einer Zunahme von 1,0 Prozent gerechnet. Im Oktober war die Produktion noch um 2,4 Prozent gestiegen. Sie liegt aktuell immer noch um 7,0 Prozent niedriger als im Februar 2020, dem Monat vor dem Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland.
Da die Industrie allein ihre Erzeugung im November um 0,2 Prozent steigern konnte, sieht das Ministerium Grund zum Optimismus. Zwar dürften die Beeinträchtigungen durch Lieferengpässe vorerst anhalten. „Nach deren Auflösung ist – angesichts voller Auftragsbücher – mit einem dynamischen Wachstum zu rechnen“, so das Ministerium. Die Bauproduktion fiel um 0,8 Prozent, während die Energieerzeugung sogar um 4,4 Prozent heruntergefahren wurde.
„MADE IN GERMANY“ BLEIBT GEFRAGT
Überraschend gut gelaufen sind die Exporte, die von der gestiegenen Nachfrage nach Waren „Made in Germany“ aus den USA und der Europäischen Union profitierten. Diese legten im November um 1,7 Prozent zum Vormonat zu, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Hier hatten Ökonomen ein Minus von 0,2 Prozent erwartet. Von Januar bis November summierten sich die deutschen Ausfuhren auf gut 1,1 Billionen Euro – ein Plus von 13,8 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Die Importe wuchsen im November um 3,3 Prozent, während Analysten mit einem Rückgang von 1,7 Prozent gerechnet hatten.
Grund für Entwarnung sieht Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer trotzdem nicht. „Denn die neue Corona-Welle dürfte die Lieferungen aus China erneut ins Stocken bringen und den Dienstleistungssektor hierzulande empfindlich einbremsen“, warnte er. Sein Kollege Thomas Gitzel von der VP Bank sieht aber zumindest vorsichtigen Grund zum Optimismus. „So hat sich der Schiffstau vor den großen Seehäfen in den USA und in China zuletzt verringert“, sagte Gitzel. „Dies könnte als Zeichen einer Besserung beim Materialfluss gewertet werden.“
Die Betriebe sitzen derzeit zwar auf prall gefüllten Auftragsbüchern. In den vergangenen Monaten konnten die Bestellungen jedoch nicht abgearbeitet werden wegen akuter Engpässe bei Vorprodukten wie Mikrochips. Der Materialmangel in der Industrie hat sich Ende 2021 nochmals verschärft: 81,9 Prozent der Firmen klagten über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen, so viele wie noch nie. Da die Probleme noch eine Weile anhalten dürften, wird der Aufschwung in diesem Jahr nach Prognose führender Institute kleiner ausfallen als bislang angenommen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) etwa senkte seine Prognose für das Wachstum des deutsche Bruttoinlandproduktes 2022 von 5,1 auf 4,0 Prozent.