Berlin, 07. Dez – Trotz heftigen Gegenwinds durch Materialknappheit, Energiekrise und hohe Inflation bleibt der befürchtete Produktionseinbruch in der deutschen Wirtschaft bislang aus. Industrie, Bau und Energieversorger stellten im Oktober zusammen 0,1 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem stärkeren Rückgang von 0,6 Prozent gerechnet, nachdem die Produktion im September noch um nach oben revidierte 1,1 Prozent gestiegen war. Sie verharrte damit auf dem Niveau des Vorjahresmonats.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet dennoch mit schweren Zeiten, da energieintensive Unternehmen unter hohen Gas- und Strompreisen leiden. „Der Industrie droht ein Rezessionswinter“, sagte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen. Ökonomen zeigten sich aber optimistisch, dass dieser milder ausfallen könnte als bislang vorhergesagt. „Weil die Lieferkettenproblematik an Brisanz verliert und gleichzeitig eine Gasrationierung mit einer geringen Wahrscheinlichkeit versehen ist, rechnen wir mit einer weniger starken und auch kürzeren Rezession als noch vor einigen Wochen“, sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel.
In der Industrie klagen derzeit so wenige Unternehmen über fehlende Materialen wie seit gut anderthalb Jahren nicht mehr: Im November berichteten 59,3 Prozent von Engpässen, wie das Ifo-Institut herausfand. Das Bundeswirtschaftsministerium warnte dennoch: „Der Ausblick auf die Industriekonjunktur in den kommenden Monaten bleibt angesichts einer spürbar unterkühlten Stimmung in den Unternehmen und einer verhaltenen Nachfrage eingetrübt“.
„AUF DEM TEPPICH BLEIBEN“
Das sieht auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer so. „Trotz der guten Nachrichten sollte man auf dem Teppich bleiben“, sagte der Volkswirt. Weltweit mussten die Notenbanken wegen der hohen Inflation ihre Leitzinsen massiv erhöhen, was die Kreditkosten für Unternehmen nach oben treibt. „Früher oder später wird das die Nachfrage nach zinssensitiven Investitionen belasten“, betonte Krämer. Gleichwohl sei ein wirtschaftlicher Einbruch wegen des Ausbleibens einer Gasrationierung unwahrscheinlich geworden.
Die Industrie allein stellte im Oktober 0,4 Prozent weniger her als im Vormonat. Die Produzenten von Investitionsgütern wie Autos und Maschinen steigerten dabei ihren Ausstoß gegen den Trend um 1,4 Prozent. Bei Konsumgütern sank er um 1,9 Prozent, da die Hersteller unter der Kaufzurückhaltung der inflationsgeplagten Verbraucher leiden. Bei Vorleistungsgütern gab es ein Minus von 1,8 Prozent.
Die Baubranche meldete dagegen ein Wachstum von 4,2 Prozent. „Das könnte an der vergleichsweise milden Witterung im Oktober gelegen haben“, so das Ministerium. Die Energieversorger drosselten ihre Erzeugung um 7,6 Prozent. „Der bemerkenswerte Rückgang im Energiebereich kann vermutlich auf die Energiesparanstrengungen von Wirtschaft und privaten Haushalten zurückgeführt werden“, betonte das Ministerium.
Das zuletzt überraschend kräftige Auftragswachstum in der Industrie lässt auf eine nur milde Winterrezession in Deutschland hoffen. Die Bestellungen legten im Oktober nach zuvor zwei Rückgängen in Folge wieder zu, und zwar um 0,8 Prozent zum Vormonat. Dafür sorgten die anziehende Auslandsnachfrage und Großaufträge. Die Unternehmen sitzen auf einem ungewöhnlich dicken Auftragspolster, da in den vergangenen Monaten viele Bestellungen wegen fehlender Vorprodukte und Rohstoffe nicht abgearbeitet werden konnten. Mittlerweile funktionieren die Lieferketten auch wieder besser. Experten schließen deshalb ein Anziehen der Industrieproduktion in den kommenden Monaten nicht aus.
Produktion bleibt stabil – „Aber Winterrezession kommt“
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von s m anamul rezwan auf Pixabay
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