Montag, April 29, 2024
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Ökonomen zur Tarifeinigung – „Inflationsproblem noch lange nicht gelöst“

Berlin, 23. Apr – Ökonomen sehen Licht und Schatten im Tarifabschluss für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen. „Alles in allem fällt das Lohnplus für den öffentlichen Dienst verglichen mit der Privatwirtschaft nicht völlig aus dem Rahmen“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters. Nach dem massiven Kaufkraftverlust durch die hohe Inflation sei klar gewesen, dass die Löhne auch im öffentlichen Dienst deutlich steigen werden. „Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Kommunen einen Teil der gestiegenen Arbeitskosten durch höhere Gebühren an die Bürger weitergeben werden – ähnlich agieren die Unternehmen“, fügte Krämer hinzu. „Das Inflationsproblem ist noch lange nicht gelöst.“

BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels zufolge dürfte der Tarifkompromiss die Alarmglocken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) läuten lassen. „Der Abschluss erhöht durchaus die Gefahr einer Preis-Lohn Spirale und dürfte der EZB Kopfzerbrechen bereiten“, sagte Michels. Auch wenn ein großer Teil des Abschlusses gestaffelte Einmalzahlungen und daher kein permanenter Lohnkostentreiber für die öffentliche Hand seien, dürften in der Folge Abgaben und Gebühren stärker steigen. „Dies dürfte sich auch in anhaltend hohen Druck bei der Kerninflation zeigen“, sagte Michels. Da die Folgen dieses Abschlusses erst mit zeitlicher Verzögerung absehbar seien, dürfe die EZB erst Ende 2024 die Zinsen wieder senken.

Nach den Worten von ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski passt das Ergebnis in das Bild anderer Abschlüsse: „Für dieses Jahr wird der Kaufkraftverlust aufgefangen, aber nicht komplett ausgeglichen“. Im nächsten Jahr könnte dann erstmals seit Jahren wieder ein Reallohnplus herauskommen. „So gut diese Konstellation natürlich für Verbraucher ist, um so schwieriger ist sie für die EZB“, sagte Brzeski. „Die Inflation wird damit immer mehr zum nachfragegetriebenen Problem und wird hartnäckiger hoch bleiben.“ Das sei ein Grund mehr für die Europäische Zentralbank (EZB), um mit ihren Zinserhöhungen weiterzumachen. Die EZB hat ihren Leitzins im Kampf gegen die hohe Inflation zuletzt im März von 3,0 auf 3,5 Prozent angehoben. Das macht Kredite teurer, weshalb etwa in der Baubranche derzeit viele Projekte auf Eis gelegt werden.

Für die Kommunen bedeuten nach den Worten von DIW-Präsident Marcel Fratzscher die geschätzten Mehrkosten von 17 Milliarden Euro durch den Abschluss „eine massive finanzielle Belastung, die zu weiteren Einschränkungen der Daseinsfürsorge führen wird“. Seit mehr als 20 Jahren sei fast jede dritte Kommune in Deutschland nicht in der Lage, die Daseinsfürsorge ausreichend zu gewährleisten. „Die Krise der Kommunen wird sich solange weiter verschärfen, bis die Politik eine dringend notwendige Reform des Bund-Länder Finanzausgleichs und eine bessere finanzielle Ausstattung und eine Entschuldung der Kommunen umsetzt“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „Die Gelder des Staates sind vorhanden, denn der Staat ist der große Gewinner dieser Inflation, denn bei Bund und Ländern sprudeln die Steuereinnahmen.“ Allerdings habe vor allem der Bund durch die Steuerentlastung der kalten Progression einen großen Teil dieser Gelder lieber an Besserverdienende zurückgegeben.

In der vierten Verhandlungsrunde hatten die Tarifparteien in der Nacht in Potsdam ein Ergebnis erzielt. Der Abschluss sieht einen Inflationsausgleich von 3000 Euro in Teilzahlungen vor. Zum 1. März 2024 sollen die Entgelte in einem ersten Schritt um einen Betrag von 200 Euro angehoben werden. In einem zweiten Schritt soll der dann erhöhte Betrag noch einmal linear um 5,5 Prozent steigen. Die Erhöhung soll allerdings in jedem Fall 340 Euro betragen, die Vertragslaufzeit wurde auf 24 Monate festgelegt.

Ökonomen zur Tarifeinigung – „Inflationsproblem noch lange nicht gelöst“

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von iphotoklick auf Pixabay

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