Donnerstag, März 28, 2024
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Ökonomen zum überraschenden Schrumpfen der US-Wirtschaft

Berlin, 28. Apr (Reuters) – Die US-Wirtschaft hat zu Jahresbeginn überraschend eine Talfahrt hingelegt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) fiel im ersten Quartal aufs Jahr hochgerechnet um 1,4 Prozent, wie das Handelsministerium am Donnerstag auf Basis vorläufiger Berechnungen mitteilte. Von Reuters befragte Experten hatten hingegen mit einem Zuwachs von 1,1 Prozent gerechnet, nachdem Ende 2021 noch ein Plus beim BIP von 6,9 erreicht worden war. Damals hatten viele Betriebe ihre in der Pandemie geleerten Lagerbestände wieder aufgefüllt, was für starken konjunkturellen Rückenwind sorgte. 

Analysten sagten zu den Daten in ersten Reaktionen:

CHRISTOPH BALZ, COMMERBANK:

„Die US-Wirtschaft ist im ersten Quartal überraschend um 1,4 Prozent geschrumpft. Allerdings legte der private Konsum ordentlich zu und die Unternehmen investierten deutlich mehr. Kurzfristig sind die Rezessionsgefahren daher gering. Im nächsten Jahr dürften die Zeiten für die US-Wirtschaft aber schwieriger werden.

Denn dann werden die wegen der viel zu hohen Inflation zu erwartenden massiven Zinserhöhungen der Fed mit den üblichen Wirkungsverzögerungen die Konjunktur bremsen. Die US-Wirtschaft dürfte Ende 2023 daher nur noch stagnieren, eine Rezession erwarten wir aber nicht. Denn die Leitzinsen sollten trotz der Anhebungen inflationsbereinigt viel niedriger sein als in früheren Zyklen. Außerdem gibt es, etwa im Gegensatz zu den Rezessionen 2001 (New Economy) und 2007 (Immobilienboom) keine Blase, die platzen und die Wirtschaft abstürzen lassen könnte.“

BASTIAN HEPPERLE, HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK:

„Der Außenhandel und das Lager haben vor allem für das enttäuschende Ergebnis gesorgt. Im Kern ist die Entwicklung beim Konsum und den Investitionen aber noch bemerkenswert robust. Der inflationsseitig hohe Kaufkraftentzug dürfte jedoch im zweiten Quartal sichtbarer werden. Hinzu kommen die sich verschärfenden Finanzierungsbedingungen, weil die US-Notenbank die Leitzinsen kräftig erhöhen und ihre Bilanz schrumpfen wird. Die Wachstumsperspektive bleibt getrübt.“

THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:

„Von stürmischer wirtschaftlicher Erholung kann in den USA keine Rede sein – ganz im Gegenteil. Es ist vor allem einem immensen Handelsbilanzdefizit zuzuschreiben, dass die US-Wirtschaft schrumpft. Aber auch die Lagerbestände gehen zurück. Der starke Dollar machte den Import von Waren besonders interessant.

Das Zahlenwerk entpuppt sich auf den zweiten Blick allerdings als besser. Der private Konsum legt stärker zu als noch im Vorquartal. Auch die Investitionen legen robust zu. Dass die US-Wirtschaft im zweiten Quartal kräftig Fahrt aufnimmt, zeichnet sich bislang nicht ab. Die Lieferkettenproblematik bleibt ein Belastungsfaktor. Darüber hinaus könnte das merklich höhere Zinsniveau zu einer Belastung für den Bausektor werden.

Stütze dürfte derweil der private Konsum bleiben. Vor allem die starke Erholung am US-Arbeitsmarkt schiebt den privaten Verbrauch an. Deshalb hat der Rückgang des BIP für die US-Notenbank keine Konsequenzen. Der Kurs ist festgezurrt. Schon in der kommenden Woche wird die Fed die nächsten beiden Raketenstufen zünden. Eine Zinsanhebung um 50 Basispunkte gilt jüngsten Aussagen von Fed-Chef Jerome Powell als relativ sicher.“

DIRK CHLENCH, LBBW:

„Die Meldung, dass die US-Wirtschaft im ersten Quartal 2022 geschrumpft ist, ist vordergründig besorgniserregend. Die Konjunkturschwäche im ersten Quartal ist jedoch ausschließlich auf Belastungen vom Außenhandel sowie geringeren Lagerinvestitionen zurückzuführen. Die private Inlandsnachfrage ohne Lager, eine Art Kern-BIP, legte im ersten Quartal 2022 mit einer Jahresrate von 3,7 Prozent zu, nach eine Rate von 2,6 Prozent im Schlussquartal 2021. Auch die Entwicklung anderer Konjunkturindikatoren, wie etwa der Industrieproduktion oder das Arbeitsvolumen zeigen noch keine grundlegende Konjunkturverlangsamung an.

Die Vereinigten Staaten plagt, wie so viele Länder dieser Tage, eine deutlich anziehende Inflation. Die damit einhergehenden Realeinkommenseinbußen der privaten Haushalte lassen eine deutliche Zurückhaltung bei den Konsumausgaben erwarten. Im Ergebnis hat sich für die Vereinigten Staaten die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession erhöht, zumal die US-Notenbank aktuell die geldpolitischen Zügel deutlich anzieht. Wir haben unsere US-Wachstumsprognose für das Jahr 2022 bereits vor geraumer Zeit von 4,2 auf 3,0 Prozent heruntergenommen.“

RALF UMLAUF, HELABA:

„Die Wachstumszahlen enttäuschen mit einem Minus und die konjunkturelle Dynamik hat einen abrupten Dämpfer erhalten. Neben dem belastenden Außenbeitrag und den Lagerveränderungen ist auch der Konsum hinter den Erwartungen zurückgeblieben – trotz des starken Arbeitsmarktumfeldes. Zinserwartungen bezüglich der Fed werden angesichts dessen nicht forciert. Die Zinserhöhung im Mai aber abzuschreiben wäre wohl verfrüht, denn die heimische End-Nachfrage ist gewachsen.“ 

Ökonomen zum überraschenden Schrumpfen der US-Wirtschaft

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Titelfoto: Symbolfoto

Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.

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