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Berlin, 25. Nov (Reuters) – Trotz Rekordinflation und Lieferengpässen ist die deutsche Wirtschaft im Sommer stärker gewachsen als zunächst angenommen. Das Bruttoinlandsprodukt stieg von Juli bis September um 0,4 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. In einer ersten Schätzung von Ende Oktober hatte die Behörde nur 0,3 Prozent gemeldet. Verbraucherinnen und Verbraucher kurbelten mit ihren Ausgaben das Wirtschaftswachstum spürbar an. Der private Konsum legte um 1,0 Prozent zum Vorquartal zu. Zugleich hellt sich die Kauflaune erneut auf, verharrt aber nahe ihrem Rekordtief. Das Barometer für die Konsumstimmung im Dezember steigt um 1,7 auf minus 40,2 Punkte, wie die GfK-Marktforscher zu ihrer monatlichen Umfrage unter 2000 Verbrauchern mitteilten.
Analysten sagten dazu in ersten Reaktionen:
ROBERT GREIL, CHEFSTRATEGE VON MERCK FINCK:
„Nach dem warmen Sommer und dem milden Herbst kommt auf die deutsche Wirtschaft ein konjunkturell kalter Winter zu. Ich rechne trotz zuletzt etwas gesunkener Energiesorgen und sich entspannender Lieferkettenprobleme weiterhin mit einer Rezession über den Winter. Wenn es temperaturmäßig kein harter Winter wird, dürfte es allerdings eher zu einer milden als zu einer tiefen Rezession kommen.“
JÖRG ZEUNER, CHEFÖKONOM UNION INVESTMENT:
„Die Stimmung der Verbraucher in Deutschland stabilisiert sich. Das Risiko von Energieengpässen und den damit zusammenhängenden Rationierungen ist zurückgegangen. Auch die angekündigten staatlichen Entlastungspakete dürften eine positive Wirkung gehabt haben. Gestützt wurde das Verbrauchervertrauen weiterhin von den Treibstoffpreisen, die seit einiger Zeit zurückgehen. Insgesamt also eigentlich gute Nachrichten. Nichtsdestotrotz muss man konstatieren, dass der Konsumklimaindex nach wie vor auf einem historisch niedrigen Niveau liegt. Und viele Belastungen spüren die Verbraucher noch gar nicht. Die kalten Wochen in der Heizsaison stehen noch bevor, was sich erst in den Rechnungen im nächsten Jahr niederschlagen wird. Auch dürften den Haushalten in nächster Zeit sukzessive weitere Erhöhungen der Abschlagszahlungen ins Haus flattern. Ebenso werden die strikteren Kreditbedingungen als Folge der Geldpolitik spürbar.
Das könnte nicht nur auf die Stimmung, sondern auch auf die zurzeit noch recht soliden Konsumausgaben drücken. Unter dem Strich ist daher mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung über das Winterhalbjahr von 1,5 Prozent zu rechnen. Das Gute daran ist allerdings: Schlimmer dürfte es nicht werden.“
THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:
„Wow, jetzt steht sogar ein BIP-Zuwachs um 0,4 Prozent zu Buche. Die Details zum deutschen BIP überraschen auf der ganzen Linie. Die privaten Konsumausgaben legen um satte 1,0 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. Die Corona-Nachholeffekte nach dem Wegfall nahezu aller Beschränkungen bescherten dem Dienstleistungssektor satte Umsatzzuwächse. Auch der kräftige Zuwachs der Ausrüstungsinvestitionen um 2,7 Prozent erinnert fast schon an Boomzeiten. Die Bauinvestitionen fallen hingegen um 1,4 Prozent, was allerdings weniger überrascht, denn die Baubranche leidet bereits unter dem höheren Zinsniveau und hohen Erstellungskosten für Neubauten. Es ist also noch keineswegs abgemacht, dass der BIP-Zuwachs des dritten Quartals bereits das vorläufige Ende positiver Wachstumsraten markiert. Es ist also durchaus denkbar, dass sich allen Unkenrufen zum Trotz, die Wirtschaft auch im vierten Quartal über Wasser halten wird. In den kommenden zwei Wochen gibt es hierzu mehr Informationen. Dann stehen die Einzelhandelsumsätze und die Industrieproduktion für den Oktober zur Veröffentlichung an. Dies erlaubt dann einen ersten Einblick in die wirtschaftliche Entwicklung des Schlussquartals.“
ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK
„Die Stimmungsaufhellung ist nicht der Rede wert, Verbraucher zeigen sich weiter gelähmt. Auch wegen des Inflationssturms wird eine noch hohe Konsum-Unsicherheit anhalten. Zukunftsängste halten Gürtel enger geschnallt, der Rezessionsgang ist auch deshalb angetreten. Gewöhnungseffekte an die schlechte Lage stehen für die nächsten Monate aber bevor. Das spricht für eine bessere Stimmung, ohne dass sich die Kaufzurückhaltung spürbar lösen wird.“
Ökonomem zum deutschen Wirtschaftswachstum und zur Konsumlaune
Titelfoto: Symbolbild
Quelle: Reuters
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