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Nur gedämpfte Freude – Was die Niedersachsen-Wahl für Scholz bedeutet

Berlin, 10. Okt – Stephan Weil und Olaf Scholz gelten nicht als beste Freunde. Aber ausgerechnet der niedersächsische Ministerpräsident hat dem Bundeskanzler mit dem SPD-Sieg bei der Landtagswahl ein Geschenk abgeliefert, das die Sozialdemokraten zum Ende des Wahljahres 2022 mit den schlechten Umfragen auf Bundesebene zumindest etwas versöhnt. Allerdings bringen die Wahlergebnisse der anderen Parteien in Niedersachsen für Scholz auch neue Probleme. 

Eigentlich hatte die Kanzlerpartei SPD 2022 auf einen Durchmarsch nach dem Gewinn der Bundestagswahl gehofft. Aber nach dem Gewinn der absoluten Mehrheit im Saarland reihte sich Niederlage an Niederlage gegen die CDU. Deshalb herrschte im Willy-Brandt-Haus am Montag Freude, dass man die Zahl von acht SPD-Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten behaupten konnte. Durch das Aus für die letzte große Koalition von SPD und CDU wird zudem die Debatte im Bundesrat etwas entspannter, weil die Union auch theoretisch keine Entscheidungen in der Länderkammer blockieren kann. 

SELBSTBEWUSSTE LÄNDER UND FDP-VERLUSTE BRINGEN UNRUHE 

Entspannen kann sich Scholz deshalb noch lange nicht. Niedersachsens Ministerpräsident wird den Kanzler in den kommenden Monaten daran erinnern, dass er derzeit mit 33,4 Prozent etwa doppelt soviel Zustimmung bekommt wie die SPD im Bund. Schlimmer noch: Die Meinungsforscher von infratest dimap weisen darauf hin, dass Weil parteiübergreifend Zustimmung genießt – Scholz aber kein Vertrauen auf Bundesebene. 67 Prozent halten ihn für zu zögerlich, weniger als die Hälfte für kanzlertauglich. Und Weil machte noch am Montag klar, dass er wie andere Länderchefs auch von der Bundesregierung schnell mehr Finanzen für Wohngeld, Flüchtlinge und den Nahverkehr erwartet. Beim Geld hört im föderalen System die Parteifreundschaft auf. 

Dazu kommt, dass das Ausscheiden der FDP aus dem niedersächsischen Landtag zumindest Unruhe in die Ampel-Regierung bringt. Zwar beteuern alle Hauptakteure, dass das Bündnis bis 2025 zusammenstehen werde. Aber die Aussage von FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner, dass die Ampel an „Legitimität“ verliere, gilt als Warnsignal. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte schon am Sonntagabend eine harte Debatte in der Ampel-Koalition angekündigt. „Wir müssen verhindern, dass linke Projekte in dieser Koalition umgesetzt werden“, sagte er in der ARD. „Die Stimme der FDP in dieser Koalition muss noch deutlicher zu erkennen sein.“ Die Liberalen ringen um ihre Identität – und das deutet auf neuen Streit etwa in der Energie- und Finanzpolitik hin.

Denn auch der Politologe Frank Decker von der Uni Bonn sieht ein Problem für die Partei: „Die FDP muss sich ehrlicher machen: Wenn sie sagt, wir halten die Schuldenbremse ein und gleichzeitig beschließt sie Sondervermögen, Schattenhaushalte oder sie verschiebt Corona-Mittel, die nicht gebraucht werden, in einen anderen Topf, dann empfinden das auch die eigenen Wähler als Trickserei und als unehrlich.“ 

Und Scholz muss auch auf die Grünen achten. Sie jubelten zwar über ihre bestes Ergebnis bei einer niedersächsischen Landtagswahl. Aber noch vor wenigen Wochen träumten die Grünen mit Umfragewerten von 22 Prozent davon, zu CDU und SPD aufschließen zu können – dann sackten sie in Bund und Niedersachsen ab. Deshalb wird die parteiinterne Kursdebatte über die Kompromisse in der Energie-Politik bei Kohle und Atomenergie weitergehen, aber anders als bei der FDP. 

CDU UND MERZ ALS ZWEITE GROSSE VERLIERER

Trösten kann sich Kanzler Scholz damit, dass die in Umfragen stärkste Kraft in Deutschland, die Union, in Niedersachsen ihre schlechtestes Ergebnis seit 1955 hinnehmen musste. Zwar versuchte CDU-Chef Friedrich Merz am Montag, das Ergebnis als Regionalwahl herunterzureden – die Union sei im Bund weiter klar die stärkste Kraft. Aber der Kurs, Wahlen über die geschürte Unzufriedenheit mit der Ampel zu gewinnen, ist offensichtlich zumindest in Niedersachsen nicht aufgegangen. Zulauf hatten vor allem die AfD und das Lager der Nichtwähler. 

Dazu ist auch Merz persönlich geschwächt. Es gibt gerade in der niedersächsischen CDU Grummeln über seinen Ausrutscher mit der „Sozialtourismus“-Kritik an ukrainischen Kriegsflüchtlingen. Das Wahljahr 2022 zeigte zudem, dass in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein mit Hendrik Wüst und Daniel Günther CDU-Politiker siegten, die wesentlich moderater als Merz auftreten und mehr Wähler in der Mitte ansprechen. Deshalb dürfte sich die Debatte, ob Merz der richtige CDU-Vorsitzende – und mögliche Kanzlerkandidat – ist, der die Union 2025 wieder ins Kanzleramt führen könnte, parteiintern eher zunehmen.

Das wiederum kann Kanzler Scholz nutzen. Denn eine mit sich selbst beschäftigte Union wird von Wählern – und der FDP – nicht als Alternative wahrgenommen. „Wir haben zudem jetzt das Problem, dass wir den ganzen Entlastungsprojekten nur zustimmen können“, beschreibt ein CDU-Bundesvorstandsmitglied die schwierige Lage für die Union. Die Menschen wollten in der Krise vor allem Einigkeit und schnelle Entscheidungen.

Nur gedämpfte Freude – Was die Niedersachsen-Wahl für Scholz bedeutet

Quelle: Reuters

Titelfoto: Copyright [Ale_Mi] /Depositphotos.com

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