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Null-Covid, Null-Kinder – Corona-Politik trübt Kinderwunsch in China

Hong Kong, 09. Aug (Reuters) – In China verleidet die strikte Null-Covid-Politik immer mehr Frauen den Kinderwunsch. Claire Jiang etwa änderte ihre Lebenspläne während des wochenlangen Lockdowns in der Wirtschaftsmetropole Shanghai: Sie will in China keine Kinder mehr bekommen. „Ich möchte auf keinen Fall, dass meine Kinder mit der Unsicherheit in einem Land aufwachsen, in dem die Regierung einfach an deine Tür kommen und tun kann, was sie will“, sagt die 30-Jährige, die in der Medienbranche arbeitet. Studien haben gezeigt, dass Pandemien und wirtschaftliche Unsicherheit die Geburtenraten in der ganzen Welt beeinträchtigen. Aber speziell in China könnte die Null-Covid-Politik, bei der jeder Ausbruch sofort mit strengen Kontrollen des Lebens der Menschen unterdrückt wird, den Kinderwunsch der Menschen tiefgreifend beeinträchtigt haben, sagen Demografen.

Während der Lockdowns in Shanghai und andernorts in China häuften sich Berichte über Menschen, die Einkommensverluste erlitten oder keinen Zugang zu medizinischer Versorgung oder Lebensmitteln hatten, oder über Behörden, die gewaltsam in Häuser eindrangen, um Menschen, darunter auch Ältere und Kinder, in Quarantänezentren zu bringen. Im April und Mai ging der Hashtag „Wir sind die letzte Generation“ in den chinesischen sozialen Medien viral, bevor er zensiert wurde. Der Satz sollte an die Reaktion eines Mannes erinnern, der von Behörden in Schutzanzügen aufgesucht wurde, die drohten, drei Generationen seiner Familie zu bestrafen, wenn sie die Corona-Vorschriften nicht einhielten. „Das hat mich sehr getroffen“, sagt Jiang.

BEVÖLKERUNG CHINAS KÖNNTE SCHRUMPFEN

Nach Einschätzung von Demografen kann der gefühlte Kontrollverlust der Menschen über ihr Leben große Auswirkungen auf den Wunsch nach Kindern haben. „Chinas Null-Covid-Politik hat zu einer Null-Wirtschaft, Null-Ehen und Null-Fertilität geführt“, konstatiert der bekannte chinesische Demograf Yi Fuxian. Die chinesischen Behörden haben wiederum wiederholt argumentiert, dass der strikte Kurs notwendig sei, um Leben zu retten und auf die Millionen Todesfälle weltweit verwiesen, verglichen zu den nur 5.226 offiziell gemeldeten Todesfällen in China seit Beginn der Pandemie.

Die Vereinten Nationen haben in einem Bericht im Juli prognostiziert, dass die chinesische Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen bereits im nächsten Jahr zu schrumpfen beginnen könnte und Indien die Volksrepublik als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablösen wird. Die UN-Experten gehen davon aus, dass Chinas Bevölkerung bis 2050 um 109 Millionen Menschen zurückgehen wird – mehr als das Dreifache des noch 2019 prognostizierten Rückgangs. Die Pandemie dürfte auch langfristig Auswirkungen auf die Erstgeburten haben, denn viele Frauen sorgten sich um ihre finanzielle Sicherheit, über Schwierigkeiten bei der Schwangerschaft und der Versorgung eines Säuglings unter starken Einschränkungen.

„Paare, die vielleicht darüber nachgedacht haben, im nächsten Jahr ein Kind zu bekommen, haben dies definitiv verschoben. Paare, die sich nicht wirklich sicher waren, haben es auf unbestimmte Zeit verschoben“, sagt Justine Coulson, die Vertreterin des UN-Bevölkerungsfonds in China. Demografen zufolge werden die Neugeburten in diesem Jahr auf ein Rekordtief sinken: Von 10,6 Millionen im letzten Jahr auf unter zehn Millionen – das wären 11,5 Prozent weniger als 2020. Demograf Yi hat Daten über Tuberkuloseimpfungen von Säuglingen, Heiratsregistrierungen und die Suche nach Mutterschafts- und Babyprodukten auf Baidu, Chinas wichtigster Suchmaschine, ausgewertet. Er schätzt, dass Corona in den Jahren 2021 und 2022 zusammen zu einer Million weniger Geburten führt, und sich dieser Trend 2023 verschärft.

GUTE KARRIERE STATT GUTE MUTTER

China – das von 1980 bis 2015 die Ein-Kind-Politik verfolgte, um dem Bevölkerungswachstum entgegenzuwirken – hat offiziell eingeräumt, dass es sich am Rande eines demografischen Abschwungs befindet. Seine Geburtenrate von 1,16 Geburten pro Frau im Jahr 2021 liegt unter dem OECD-Standard von 2,1 für eine stabile Bevölkerung und gehört zu den niedrigsten der Welt. Seit etwa einem Jahr haben die Behörden Maßnahmen wie Steuerabzüge, längeren Mutterschaftsurlaub, verbesserte Krankenversicherung, Wohngeld, zusätzliches Geld für ein drittes Kind und ein hartes Durchgreifen gegen teure private Nachhilfe eingeführt. Dennoch ist der Kinderwunsch chinesischer Frauen der geringste der Welt, wie eine im Februar veröffentlichte Umfrage des Think-Tanks YuWa Population Research ergab.

Eine der Hauptursachen für die niedrigen Geburtenraten ist laut Peter McDonald, Professor für Demografie an der Universität von Melbourne, die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Dabei liegt China auf Platz 102 von 146 Ländern. Demografen gehen davon aus, dass die bisher getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen. Sie nennen auch die hohen Ausbildungskosten, die niedrigen Löhne und die notorisch langen Arbeitszeiten als Probleme, die noch angegangen werden müssen, ebenso wie die Corona-Politik und die Sorge um das Wirtschaftswachstum. Auch die gesellschaftlichen Erwartungen an eine gute Mutter seien hoch, bemerkt die 25-jährige Finanzanalystin Jiahui Wu. „Es scheint viel einfacher zu sein, ein guter Vater zu sein“, sagte sie. „Ich ziehe es vor, eine gute Karriere zu machen.“

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Titelfoto: Symbolfoto

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