Balmoral/London/Berlin, 09. Sep – Nach dem Tod von Königin Elizabeth II. hat ihr Sohn Charles das schwierige Erbe der in der Bevölkerung zutiefst verehrten Monarchin angetreten. Der 73-Jährige erklärte am Freitagabend in seiner ersten Ansprache als König, nach dem Vorbild seiner Mutter widme er sein Leben „der Wahrung der Verfassungsgrundsätze, die das Herzstück unserer Nation bilden“. Seine Mutter lobte er als Vorbild und Inspiration. Der neue König Charles III. war am Nachmittag am Buckingham-Palast angekommen, wo er von einer jubelnden Menschenmenge begrüßt wurde, die „Gott schütze den König“ („God save the King“) anstimmte. An der Seite seiner Frau Camilla stieg Charles aus dem Auto, schüttelte Hände und bewunderte mindestens zehn Minuten lang das Blumenmeer vor dem Palast.
Charles verwies in seiner Rede darauf hin, wie anders die Welt gewesen sei, als seine Mutter den Thron bestieg. „Im Laufe der vergangenen 70 Jahre hat sich unsere Gesellschaft zu einer mit vielen Kulturen und vielen Religionen entwickelt“, sagte er. „Die Institutionen des Staates haben sich ihrerseits verändert.“ Trotz des Wandels seien Großbritannien und die Staaten des Commonwealth „gediehen und aufgeblüht“, erklärte er weiter. „Unsere Werte sind konstant geblieben und müssen es auch bleiben.“ An seine Mutter gerichtet sagte Charles schließlich: „Ich will einfach nur dies sagen: Danke. Danke für deine Liebe und Hingabe an unsere Familie und an die Familie der Nationen, der du all die Jahre so gewissenhaft gedient hast.“
EXPERTEN: CHARLES DÜRFTE ES SCHWER HABEN
Adelsexperten sind sich einig, dass Charles es schwer haben dürfte, die großen Erwartungen zu erfüllen. Während Elizabeth zeitlebens immense Popularität genoss, musste sich Charles immer wieder Kritik anhören. Selbst heute noch tragen ihm Gegner besonders die gescheiterte Ehe mit seiner ersten Frau nach – die in weiten Teilen der Bevölkerung immer noch verehrte Prinzessin Diana, die vor 25 Jahren tödlich verunglückt war. Charles zweite Frau Camilla musste jahrelang gegen das Image der unbeliebten Nebenbuhlerin ankämpfen.
Befürworter von Charles halten jedoch dagegen, seine bisherige Arbeit werde unterschätzt oder missverstanden. Bei Themen wie dem Klimawandel sei er seiner Zeit zum Beispiel voraus gewesen. Und sie heben seine soziale Ader hervor. Vor fast 50 Jahren gründete er die Wohltätigkeitsorganisation Prince’s Trust, die bislang über einer halben Million Menschen geholfen hat. Die neue Regierungschefin Liz Truss, die erst am Dienstag von Elizabeth zur Premierministerin ernannt worden war, unterstrich am Freitag im Parlament, dass Charles‘ Pflichtbewusstsein trotz seiner Trauer ungetrübt sei.
Für Samstag ist die formelle Proklamation zum neuen Monarchen vorgesehen. Faktisch ist Charles jedoch seit dem Tode Elizabeths König. Sie war am Donnerstag auf Schloss Balmoral im Alter von 96 Jahren gestorben. Erst kürzlich hatte sie ihr 70. Thronjubiläum gefeiert. Viele Briten haben nie eine andere Königin gekannt. Am ersten Tag ohne die Monarchin, die einst von ihrem Enkel Harry als „die Großmutter der Nation“ beschrieben wurde, strömten sie zu Tausenden zum Buckingham-Palast und zu Windsor Castle, um Blumen niederzulegen. Werbetafeln in ganz London zeigten Beileidsbekundungen, Zeitungen waren gefüllt mit Foto-Hommagen, Fahnen auf Halbmast gesetzt. Ein Online-Kondolenzbuch wurde eingerichtet.
„DIE WELT HAT EINE JAHRHUNDERTFIGUR VERLOREN“
Die britische Regierung rief den Beginn einer nationalen Trauerphase aus, die bis zum Ende des Tages, an dem das Staatsbegräbnis stattfindet, dauern soll. Noch eine Woche länger soll die Königsfamilie auf Wunsch von Charles ihre eigene Trauerzeit einhalten. Ein genaues Datum für die Beisetzung Elizabeths nannte der Palast zunächst nicht. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass das Begräbnis ungefähr zehn oder elf Tage nach dem Tod stattfindet. US-Präsident Joe Biden kündigte am Freitagabend an, an der Beisetzung teilnehmen zu wollen.
Bereits am Donnerstagabend trafen aus aller Welt Kondolenznachrichten ein. Staats- und Regierungschef lobten Elizabeth als umsichtige Monarchin, die es verstanden hatte, in vielen Situationen die Menschen zusammenzuführen oder – wenn nötig – zu trösten. Für viele stellte sie Beständigkeit in oft ungewissen Zeiten dar. „Die Queen verkörperte das Beste unseres gemeinsamen europäischen Erbes: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag in Berlin. „Großbritannien hat seine Königin verloren, die Welt eine Jahrhundertfigur.“
Neuer britischer König Charles III. tritt Erbe an
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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