Schloss Elmau, 27. Jun (Reuters) – Angesichts der anhaltenden Angriffe Russlands auf die Ukraine wollen die G7-Staaten ihren Druck auf Moskau massiv erhöhen. Die G7-Länder stünden kurz vor einer Einigung, sich hinter einen Preisdeckel für russisches Öl zu stellen, sagte ein US-Offizieller am Montag. Zudem wolle man mit einem Bündel an Maßnahmen auf Dienstleistungen abzielen, die für den Verkauf russischen Öls nötig sind.
Die US-Regierung will zudem neue Sanktionen sowohl gegen den russischen Verteidigungssektor als auch Firmen weltweit beschließen, die bestehende westliche Sanktionen gegen Russland unterlaufen. Es sollen zudem Firmen gelistet werden, die künftig keine US-Technologie mehr kaufen dürfen, teilte das Weiße Haus mit. Dies könnte auch auf chinesische Unternehmen zielen. Finanzinstitutionen würden informiert, dass sie sich am Kampf gegen eine mögliche Umgehung von Exportkontrollen beteiligen sollten.
Die Staats- und Regierungschefs der USA, Großbritanniens, Italiens, Frankreichs, Japans, Deutschlands und Kanadas hatten am Sonntagabend über den weiteren Umgang mit Russland und der Ukraine beraten. Während sich die Ukraine auf neue Unterstützungszusagen einstellen kann, wird der Druck auf Russland erhöht, weil Präsident Wladimir Putin die am 24. Februar begonnenen Angriffe auf das Nachbarland nicht einstellen will. Dabei sind bereits mehrere zehntausende Menschen gestorben.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war am Montagmorgen per Video zu den Beratungen der wichtigsten westlichen Industriestaaten zugeschaltet. Laut einem Diplomaten hat Selenskyj die Gipfelteilnehmer gebeten, Luftabwehrsysteme zu liefern. Zudem sollten die G7 für weitere Sanktionen gegen Russland sorgen, der Ukraine beim Export von Getreide helfen und dem Land finanzielle Hilfe zum Wiederaufbau zur Verfügung stellen.
Sowohl US-Präsident Joe Biden als auch Kanzler Olaf Scholz hatten auf Schloss Elmau die Wirksamkeit der westlichen Sanktionen betont. Der eingeschränkte Zugang zu westlichen Technologien werfe Russlands Wirtschaft viele Jahre zurück, sagte Scholz in der ARD. Dass Russland jetzt nahe an der Zahlungsunfähigkeit stehe, sei die Wirkung drastischer Sanktionen, betonte ein US-Offizieller. Amerikanische Ausfuhren nach Russland seien um 97 Prozent zurückgegangen. Fabriken in Russland kämpften darum, die Produktion aufrechtzuerhalten. Die russische Wirtschaftsleistung werde in diesem Jahr wahrscheinlich zweistellig sinken und die Inflation auf mehr als 20 Prozent steigen.
Die USA wollen auch neue Sanktionen gegen Russen verhängen, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren und Importzölle auf 530 Warengruppen aus Russland erhöhen. Scholz sagte, dass das von den USA verkündete Gold-Embargo gegen Russland noch nicht als gemeinsame G7-Position beschlossen werden könne, weil es zuvor eine Abstimmung innerhalb der EU bedürfe.
PREISDECKEL SOLL AUCH INFLATION BEGRENZEN HELFEN
Der ursprünglich von den USA vorgeschlagene Preisdeckel für russisches Öl habe zwei Ziele, hieß es in Verhandlungskreisen. Zum einen soll er den Effekt begrenzen, dass infolge des Konflikts die Einnahmen Russlands wegen höherer Öl- und Gaspreise sogar gestiegen sind. Zum anderen sollen mit einem Preisdeckel für russisches Öl angesichts der steigenden Inflation die negativen Wirkungen für Drittmärkte und Konsumenten weltweit begrenzt werden. Die G7-Staats- und Regierungschefs würden ihre zuständigen Minister beauftragen, „intensiv“ mit Partnerländern und Privatfirmen zu sprechen, um einen Preisdeckel umzusetzen.
Forscher des Kieler Institut für Weltwirtschaft forderten dagegen einen Zoll auf russisches Öl und Gas. „Ein Zoll mindert die Einnahmen Russlands und erhöht die Einnahmen der G7, womit die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger durch die hohen Energiepreise abgefedert werden können“, sagte Handelsforscher Alexander Sandkamp.
G7 VERHANDELT MIT SCHWELLENLÄNDERN
Das Thema dürfte auch in den G7-Beratungen am Montag mit den Gastländern Indien, Indonesien, Südafrika, Argentinien und Senegal eine Rolle spielen. Denn die Bundesregierung hatte zuvor darauf verwiesen, dass ein Preisdeckel für russisches Öl nur effektiv sein könne, wenn sich weltweit auch viele Einkaufsländer wie Indien oder China beteiligen. Beide Länder haben seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ihre Ölimporte aus Russland deutlich erhöht – und erhalten meist von Moskau einen Preisabschlag. Die G7-Staaten selbst betrifft ein Preisdeckel für russisches Öl weniger: Die USA haben bereits die Öleinkäufe aus Russland eingestellt, die EU will dies bis spätestens Jahresende tun. Der US-Offizielle wollte nicht sagen, bei welchem Preis ein solcher Deckel liegen könnte.
Heikel auch für die EU könnten die angekündigten Maßnahmen gegen den Transport russischen Öls sein. Denn Tanker aus dem EU-Staat Griechenland transportieren einen erheblichen Teil des russischen Öls in alle Welt. Dies fällt bisher nicht unter EU-Sanktionen. Außerdem geht es um die Frage, ob Schiffe, die russisches Öl transportieren, noch Sicherheitszertifikate und Versicherungsschutz erhalten. Indien war erst vor wenigen Tagen eingesprungen und hatte anstelle westlicher Zertifizierungsstellen Papiere für russische Tanker ausgestellt.
Kanzler Scholz hatte vor Beginn des zweiten Gipfeltages in der ARD die Ent- und Geschlossenheit der G7-Partner gegenüber Russland betont. Er kündigte ein gemeinsames Aktionspaket und Finanzhilfe der G7 an, um gegen die weltweit stark steigenden Nahrungsmittelpreise und gegen Hungerkrisen anzukämpfen. „Wir haben das schon vorbereitet“, sagte er, ohne Zahlen zu nennen. Zudem bemühe man sich mit Hochdruck, Getreide aus der Ukraine auf den Weltmarkt zu bringen.
Neue Sanktionen – G7 verschärfen Kurs gegen Russland erheblich
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Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.