UPDATE Bangkok, 02. Dez – EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat vor einer zu starken Ankurbelung der Nachfrage durch die Haushaltspolitik einiger europäischer Regierungen gewarnt. Der dadurch geschaffene Überhang an Nachfrage könnte die Geldpolitik zu einer stärkeren Straffung zwingen als sonst notwendig wäre, sagte Lagarde am Freitag auf einer Konferenz der thailändischen Notenbank und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Bangkok. „Bedauerlicherweise deuten derzeit zumindest manche der fiskalischen Maßnahmen, die wir bei vielen Regierungen in Europa und vor allem im Euro-Raum analysieren, in Richtung der letzteren Kategorie“, sagte sie. Geldpolitik und Fiskalpolitik müssten für nachhaltiges ausbalanciertes Wachstum Hand in Hand arbeiten.
Die EU-Kommission geht inzwischen davon aus, dass die Wirtschaft im Euro-Raum im vierten Quartal und im ersten Quartal 2023 schrumpfen wird. Zu den Gründen zählt sie hohe Energiepreise, Kaufkraftverluste bei privaten Haushalten, das schwächere globale Umfeld und striktere Finanzierungsbedingungen. Die Bundesregierung hatte, um die Auswirkungen der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriges abzumildern, ein umfangreiches Hilfspaket geschnürt. Strom- und Gaspreisbremse, Aufhebung der geplanten Gasumlage und 200 Milliarden Euro an neuen Kreditermächtigungen sind Kernpunkte. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach angesichts des Volumens von einem „Doppel-Wumms“. Dabei hatte er das einstige Hilfsprogramm in Corona-Zeiten im Blick, für das er als Finanzminister den Begriff „Wumms“ geprägt hatte.
Lagarde plädierte für Investitionen und Reformen. „Wir brauchen höhere Investitionen und Strukturreformen, um die Angebotsbeschränkungen zu beseitigen und sicherzustellen, dass das Produktionspotenzial nicht durch die sich verändernde Weltwirtschaft beschnitten wird“, sagte Lagarde. „Und das ist eine große Frage und eine Unsicherheit, die wir haben.“
KAMPF GEGEN DIE HOHE INFLATION
Da die Inflation im Euro-Raum rasant gestiegen ist, hat die Europäische Zentralbank (EZB) inzwischen die Zinswende eingeleitet und in kurzer Abfolge in mehreren Schritten die Schlüsselzinsen um insgesamt 2,00 Prozentpunkte angehoben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz, den Banken von den Euro-Notenbanken für das Parken überschüssiger Gelder erhalten, liegt inzwischen bei 1,50 Prozent. Die EZB hatte weitere Zinsschritte in Aussicht gestellt. Sie strebt eine Inflation von zwei Prozent an. Die Teuerungsrate im Euro-Raum ist inzwischen aber fünf Mal so hoch.
Die Währungshüter müssten eine Geldpolitik betreiben, die die Inflationserwartungen in der Spur hielten, sagte Lagarde. „Wir müssen der Öffentlichkeit, Beobachtern und Kommentatoren signalisieren, dass in allen Szenarien die Inflation rechtzeitig zu unserem mittelfristigen Ziel zurückkehrt“, sagte sie. Die nächste Zinssitzung ist am 15. Dezember.
Lagarde warnt vor zu starker Konjunkturförderung durch Haushaltspolitik
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Hans auf Pixabay
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