Frankfurt, 14. Feb (Reuters) – Die Furcht vor einem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat Europas Aktienmärkte fest im Griff. Der Dax rutschte zum Wochenauftakt zeitweise unter die Marke von 15.000 Punkte und verlor in der Spitze 3,8 Prozent auf 14.844 Zähler, bevor er die Verluste wieder etwas eingrenzte. Der EuroStoxx50 notierte am Montagnachmittag noch knapp drei Prozent tiefer bei 4049 Punkten. „Die Angst vor weiter steigenden Energiepreisen im Fall einer militärischen Eskalation ist riesig“, sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. Damit könnte die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Pandemie abgewürgt werden.
Die Wall Street gab dagegen zum Handelsstart nur leicht nach. Für etwas Entspannung sorgten Äußerungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow, der eine Fortsetzung der diplomatischen Bemühungen vorschlug, um vom Westen Sicherheitsgarantien zu erhalten. „Das hat einige Bedenken zerstreut und dem Markt ein wenig Hoffnung gegeben, dass das Problem mit der Ukraine vielleicht auf diplomatischem Wege gelöst werden könnte“, sagte Robert Pavlik, Portfolio Manager bei Dakota Wealth
Nach einer Warnung der Vereinigten Staaten, dass Russland jederzeit in die Ukraine einmarschieren und einen überraschenden Vorwand für einen Angriff schaffen könnte, waren Anleger zunächst in Scharen aus riskanten Anlagen geflohen. Gefragt waren dagegen als „sicherer Hafen“ geltende Staatsanleihen. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe auf 0,238 Prozent. Auch bei der Weltleitwährung griffen Anleger zu, woraufhin der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, 0,4 Prozent anzog.
Nervös machte Investoren auch der erneute Anstieg der Energiepreise. So stieg der europäische Erdgas-Terminkontrakt um bis zu 13 Prozent auf 84,20 Euro je Megawattstunde. Gerade Russland ist ein wichtiger Lieferant dieses Energieträgers. Spekulationen auf Lieferausfälle trieben auch den Ölpreis in die Höhe. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich bis zu 1,8 Prozent und kostete mit 96,16 Dollar je Barrel (159 Liter) zeitweise so viel wie zuletzt vor siebeneinhalb Jahren. Wegen einsetzender Gewinnmitnahmen kostete sie zuletzt nur noch 94,60 Dollar. „Wenn es Truppenbewegungen gibt, wird der Brent-Preis problemlos über die Marke von 100 Dollar springen“, prognostizierte Analyst Edward Moya vom Brokerhaus Oanda.
RUSSISCHE UND UKRAINISCHE BÖRSEN UNTER DRUCK
Aus den Depots flogen auch russische Wertpapiere. Der Moskauer Index für in Dollar notierte Aktien rutschte um bis zu 5,4 Prozent ab. Der Ausverkauf russischer Staatsanleihen trieb die Rendite der zehnjährigen Bonds auf ein Sechs-Jahres-Hoch von 10,17 Prozent. „Es ist sinnvoll, Risiken in Bezug auf Russland so weit wie möglich zu minimieren und sich nicht aktiv in russischen Werten zu engagieren, bis das Risiko eines militärischen Zusammenstoßes verschwunden ist“, sagte Volkswirt Jewgeni Suworow von der CentroCreditBank.
Am westeuropäischen Aktienmarkt gerieten vor allem Reisewerte unter Verkaufsdruck. Der Branchenindex rutschte um bis zu 4,8 Prozent ab, da einige Airlines ihre Flüge in die Ukraine eingestellt haben oder darüber nachdenken. Die Aktien der stark in Russland engagierten Geldhäuser Raiffeisen Bank, Unicredit und Societe Generale (SocGen) büßten zwischen 4,5 und 6,5 Prozent ein. In London gaben die Papiere des Ölkonzerns BP, der am russischen Konkurrenten Rosneft beteiligt ist, in der Spitze rund vier Prozent nach.
ZINSANGST NICHT ÜBERWUNDEN – BILANZSAISON MIT WERMUTSTROPFEN
Neben der Ukraine-Krise gebe es als weitere große Ungewissheit die Geldpolitik der US-Notenbank, sagte Matt Siddle, Portfoliomanager bei Fidelity Investments. „Es ist nicht ganz klar, wie die Politik der Fed aussieht. Es ist eine Straffungspolitik, aber es ist nicht klar, wie weit und schnell sie gehen wird.“
Der Volatilitätsindikator für europäische Aktien, der die Nervosität der Anleger misst, sprang in der Spitze um mehr als ein Dritte auf 33,95 Punkte. Damit erreichte der Wert den höchsten Stand seit dem 24. Januar, als die globalen Märkte aufgrund von Sorgen über höhere Zinssätze unter Druck gerieten.
Auch die prinzipiell positive Bilanzsaison komme mit dem einen oder anderen Wermutstropfen, gab Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets zu bedenken. „Während die meisten Unternehmen ihre Erwartungen zum Ergebnis im vierten Quartal zwar erreichen konnten, hat gut die Hälfte irgendeine Warnung im Schlepptau ihre Umsätze, Margen oder Gewinne für das laufende Jahr betreffend. Die Unternehmen spüren, dass sie in Zukunft nicht mehr so einfach in der Lage sein werden, die gestiegenen Preise für Vorprodukte und Rohstoffe eins zu eins an ihre Kunden weiterzureichen.“
Kriegsangst löst Ausverkauf an Europas Aktienmärkten aus
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