London, 23. Nov – Schottland darf kein zweites Unabhängigkeitsreferendum ohne britische Zustimmung abhalten. Das entschied am Mittwoch das höchste Gericht in Großbritannien. „Das schottische Regionalparlament hat nicht die Befugnis, Gesetze für ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands zu erlassen“, erklärte der Präsident des Obersten Gerichtshofes des Vereinigten Königreiches, Robert Reed. Für die Regierung der Ersten Ministerin Schottlands, Nicola Sturgeon, und ihre Schottische Nationalpartei (SNP), die für kommendes Jahr ein zweites Referendum angestrebt hatte, ist dies ein herber Schlag. Sie sei enttäuscht, werde das Urteil aber respektieren, schrieb Sturgeon auf Twitter. Letztlich stärke das Urteil aber nur die Unabhängigkeitsbewegung.
Bereits 2014 hatte die Bevölkerung in Schottland mit 55 zu 45 Prozent gegen die Aufkündigung der mehr als 300 Jahre bestehenden Union mit England gestimmt. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hat jedoch die Lage verändert. Die Mehrheit der schottischen Bevölkerung lehnte den Brexit in der Volksabstimmung darüber 2016 ab und befürwortet eine Mitgliedschaft in der EU. Umfragen zufolge ist die Bevölkerung aber in der Frage der Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich gespalten. „Die Unabhängigkeitsbewegung steckt fest, ist verfassungsrechtlich und rechtlich blockiert, und sie steckt bei 50 Prozent der Stimmen fest“, sagte Michael Keating, Politikprofessor an der University of Aberdeen. Wie ein Unabhängigkeitsreferendum tatsächlich ausgehen würde, lässt sich nicht abschätzen.
WAHLKAMPF 2024 SOLL NUN DE FACTO REFERENDUM WERDEN
Sturgeon hatte Anfang dieses Jahres angekündigt, sie wolle am 19. Oktober 2023 ein beratendes Unabhängigkeitsvotum abhalten, das jedoch rechtlich und international anerkannt werden müsste. Die konservative britische Regierung in London hatte allerdings erklärt, sie werde keine weitere Volksabstimmung genehmigen, da es sich um eine einmalige Angelegenheit handele. Daher hatte die Regierung in Edinburgh das Oberste Gericht angerufen, um klären zu lassen, ob sie ein Gesetz im Regionalparlament einbringen kann, das den Weg zu einem zweiten Referendum ohne Zustimmung des Parlamentes in London ebnen würde.
Gemäß dem Scotland Act von 1998, mit dem das schottische Parlament geschaffen und einige Befugnisse von London auf Edinburgh übertragen wurden, sind alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Union der Königreiche Schottland und England dem britischen Parlament in Westminster vorbehalten.
Aufgeben werden Sturgeon und die SNP nach dem höchstrichterlichen Urteil sicherlich nicht. So schrieb die Regierungschefin unmittelbar nach dem Richterspruch auf Twitter: „Ein Gesetz, das es Schottland nicht erlaubt, seine eigene Zukunft ohne Billigung von Westminster zu bestimmen, entlarvt jede Vorstellung, dass das Vereinigte Königreich eine freiwillige Partnerschaft ist, als Mythos und liefert Argumente für die Unabhängigkeit.“
Sturgeon hatte bereits vor dem Urteil angekündigt, dass eine Niederlage vor Gericht bedeuten würde, dass ihre Partei bei der für 2024 geplanten Parlamentswahl in Großbritannien die Unabhängigkeit zum wichtigsten Thema machen werde. Die SNP dominiert die schottische Politik seit mehr als einem Jahrzehnt. Bei der Wahl im Königreich 2019 holten die Nationalisten die große Mehrheit der schottischen Sitze in Westminster. Nun erklärte Sturgeon: „Das heutige Urteil blockiert einen Weg, Schottlands Stimme zur Unabhängigkeit zu hören – aber in einer Demokratie kann und wird unsere Stimme nicht zum Schweigen gebracht.“
Kein schottisches Unabhängigkeitsreferendum ohne britische Zustimmung
Quelle: Reuters
Titelfoto: Bild von iphotoklick auf Pixabay
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