Frankfurt, 17. Okt – Die Kehrtwende bei den Steuerplänen in Großbritannien beruhigt die Nerven der Anleger an Europas Börsen. Der neue britische Finanzminister Jeremy Hunt kündigte am Montag an, nahezu alle Steuerpläne von Premierministerin Liz Truss würden rückgängig gemacht. Die umstrittenen schuldenfinanzierten Steuersenkungen sind damit vom Tisch. Nach den Turbulenzen in der vergangenen Woche zog der Dax zum Wochenauftakt um 1,7 Prozent auf 12.649 Punkte an, der EuroStoxx50 gewann 1,8 Prozent auf 3443 Zähler. Das Pfund stieg um mehr als zwei Prozent auf 1,1426 Dollar. Auch die Wall Street setzte zum Wochenstart auf Erholung.
Grafik: Agena Trader 17. Oktober 2022
„Nach den Ereignissen der letzten Woche und der Entlassung des vorherigen Finanzministers hat die britische Regierung eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um das Vertrauen der Märkte zu stärken“, sagte Markets.com-Experte Neil Wilson. Selbst wenn alle Haushaltsmaßnahmen, die die Anleger verschreckt hatten, zurückgenommen werden, könne die Glaubwürdigkeit aber nicht so leicht wieder hergestellt werden, warnte Wilson. Zudem blieben die wirtschaftlichen Probleme in Großbritannien, wie die Inflation oder das fehlende Produktivitätswachstum bestehen.
Die Aussicht auf eine nachhaltigere Haushaltspolitik ließ Anleger dennoch bei britischen Staatsanleihen kräftig zugreifen. Dies drückte die Renditen zehnjähriger britischer Bonds wieder unter vier Prozent auf bis zu 3,914 Prozent. Parallel dazu ging die Rendite der zehnjährigen Bundestitel auf bis zu 2,212 Prozent zurück, nachdem sie in der vergangenen Woche mit 2,423 Prozent den höchsten Stand seit August 2011 erreicht hatte.
GOLDPREIS ZIEHT AN – ÖLPREIS STABILISIERT
Angesichts der Stärke des britischen Pfund und des Euro verlor der Dollar gegenüber einem Korb der wichtigsten Währungen an Boden. Der Dollar-Index gab um ein Prozent auf 111,95 Punkte nach. Der schwächere Dollar gab dem Goldpreis Auftrieb. Das Edelmetall verteuerte sich um 1,3 Prozent auf 1662,65 Dollar je Feinunze.
Gleichzeitig stabilisierte sich der Ölpreis, nachdem er vergangene Woche wegen Nachfragesorgen um mehr als sechs Prozent abgestürzt war. Die Nordsee-Sorte Brent und die US-Sorte WTI verteuerten sich um jeweils rund ein halbes Prozent auf 92,05 Dollar und 85,97 Dollar je Barrel (159 Liter). Befürchtungen, dass die hohe Inflation und Energiekosten die Weltwirtschaft in eine Rezession ziehen könnten, wurden durch die Aussicht auf eine weiterhin lockere Geldpolitik in China abgemildert.
Die chinesische Zentralbank verlängerte am Montag fällige mittelfristige Kredite und ließ den Zinssatz einen zweiten Monat lang unverändert. Anleger sahen dies als Hinweis für eine Fortsetzung der lockeren Geldpolitik durch die Notenbank.
LUFTHANSA IM AUFWIND – MONTE-PASCHI-BEZUGSRECHTE FALLEN
Bei deutschen Einzelwerten hoben Lufthansa-Aktien kurzzeitig um bis zu 4,6 Prozent ab, nachdem die Airline ihre Jahresprognose angehoben hat. Die Fluggesellschaft stellte einen bereinigten Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) von mehr als einer Milliarde Euro in Aussicht. Bisher hatte sie mit mehr als 500 Millionen gerechnet. Als Gründe für den gewachsenen Optimismus nannte der Konzern die Entwicklung im dritten Quartal, die aktuelle Buchungslage und ein absehbares Rekordergebnis von Lufthansa Cargo.
In Mailand stürzten die Bezugsrechte auf neue Aktien der italienischen Krisenbank Banca Monte dei Paschi di Siena ab. Sie verloren mehr als 90 Prozent und kosteten zeitweise 0,30 Euro. Die Minderheitsaktionäre des Geldhauses wollten sich offenbar nicht an der Kapitalerhöhung beteiligen, sagte ein Börsianer.
Kehrtwende in Großbritannien beruhigt Europas Anleger
Quelle: Reuters
Titelfoto und Foto: Agena Trader 17. Oktober 2022
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