London/Düsseldorf, 18. Feb (Reuters) – Supermarktketten und Lebensmittelkonzerne ringen erbittert um Einkaufspreise. Die Unternehmen stehen dabei verstärkt unter Druck. Sie ächzen unter steigenden Rohstoffkosten, höheren Energiepreisen, teureren Logistikketten und den Corona-Folgen. Einzelne Supermarktketten werfen vor dem Hintergrund von hohen Preisforderungen der Lebensmittel-Konzerne Artikel vorübergehend aus den Regalen.
Hersteller stoppen die Belieferung, um die Händler ihrerseits unter Druck zu setzen. Für die Kunden in Europa kann das unerfreuliche Folgen haben: „Die Verbraucher müssen sich auf sportlich steigende Preise einstellen“, sagte ein Einkaufsmanager einer großen Handelskette.
Dabei stehen die Handelsunternehmen selbst unter Druck. Die Gewinnmargen im Einzelhandel sind traditionell gering, die Ketten liefern sich untereinander einen erbitterten Preiskampf. Doch steigende Kosten lasten auch auf den Produzenten – auch wenn sie noch weit höhere Margen haben. „Es gibt außergewöhnliche Erhöhungen von Preisen im Einkauf für die Handelsunternehmen und praktisch keine Warengruppe, die davon ausgenommen wäre“, sagte ein Rewe-Sprecher.
Lebensmittel-Riesen wie Nestle oder Kellogg versuchen, höhere Preise für ihre Produkte von Instantcafe bis Müsli durchzuboxen. Die großen Supermarktkette und Discounter zielen dagegen darauf ab, diese Erhöhungen im Rahmen zu halten, um ihre Margen zu sichern und die Kunden nicht zu vergraulen. Besserung ist nicht in Sicht: Die Einkaufskosten dürften 2022 stärker steigen als im Vorjahr, prognostizierte Nestle-Chef Mark Schneider erst am Donnerstag: „Das ist etwas, was wir in unserer Preisgestaltung widerspiegeln müssen.“
Auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sitzt dann etwa der Handelsriese Ahold Delhaize – der es nach eigenen Angaben trotz des Preisdrucks geschafft hat, seine Gewinnmargen bei 4,4 Prozent zu halten. Dass der Konzern es ernst meint, bekam in der Vergangenheit auch Nestle zu spüren. Ahold Delhaize entfernte vorübergehend Produkte des Schweizer Konzerns wie Maggi, KitKat oder Nescafe aus den Regalen seiner niederländischen Supermarktkette Albert Heijn.
Auch in der Bundesrepublik zeigen die Einzelhändler immer wieder die Zähne und verzichten vorübergehend im Preiskampf mit den Herstellern auf Marken-Produkte. Bei Edeka verschwanden in der Vergangenheit etwa Produkte von L’Oreal vorübergehend aus den Regalen, aktuell liegt die Kette mit Eckes-Granini im Clinch.
Auch beim Konkurrenten Rewe suchten die Verbraucher in der Vergangenheit vorübergehend vergeblich nach Artikeln einzelner Hersteller. „Theoretisch kann man sich von fast jeder Marke auch verabschieden“, hieß es bei Rewe: „Aber wir orientieren uns als Händler selbstverständlich an den Wünschen unserer Kunden und versuchen diese zu erfüllen.“
GROSSES SÄBELRASSELN AUF ALLEN SEITEN
Marken-Hersteller nutzten es ihrerseits als Druckmittel, die Belieferung einfach einzustellen, wenn ihre Preisforderungen nicht erfüllt würden, heißt es in der Branche. „Es gibt ein großes Säbelrasseln auf allen Seiten“, bilanzierte ein Handelsmanager. „Wir hatten harte Verhandlungen mit Nestle“, berichtete Ahold-Finanzchefin Natalie Knight aus der Praxis – doch es habe eine gute Einigung gegeben. Insgesamt sei es ein stetes Ringen, bei dem Ahold aber erreichen konnte, dass nur unumgängliche Kostensteigerungen an die Verbraucher weitergereicht werden mussten.
Und auch sie beklagt, dass sich die Verhandlungen immer mehr in die Länge zögen. Auch ein deutscher Handelsmanager sieht das so. Infolge von Knappheiten durch die Corona-Krise und stockenden Logistik-Ketten bei den Herstellern sowie plötzlich steigenden Kosten für Rohstoffe verlangten Konzerne plötzlich Nachverhandlungen.
Und es komme auf der anderen Seite immer wieder vor, dass durch die Folgen der Corona-Krise Lieferzusagen nicht oder nur verspätet eingehalten würden. Die Händler wüssten zudem genau, wo die Preise für die Lebensmittelkonzerne wirklich stiegen. Denn viele Ketten bieten Eigenmarken an und seien deshalb im Bilde, wie sich die Kosten etwa für Verpackungsmaterialien entwickeln.
„Es tobt ein erbitterter Kampf in Europa zwischen Lebensmittelhändlern und -herstellern“, sagte Cyrille Filott, bei der Rabobank zuständig für den Sektor. Im Herbst hätten einzelne Lebensmittelkonzerne für einige Produkte Preiserhöhungen in einer Spanne von fünf bis sieben Prozent durchsetzen wollen, später seien es noch einmal drei bis fünf Prozent gewesen.
Die Verhandlungen seien hart, heißt es auch beim belgischen Discounter Colruyt. Dabei stehe die Kette für niedrige Preise für ihre Kunden ein – „wenn dabei die Margen für ein oder zwei Quartale unter Druck kommen, dann ist das halt so“.
„Ein vermeidbarer Preistreiber ist die Marktmacht der globalen Markenindustrie“, sagte ein Edeka-Sprecher. Der Edeka-Verbund sei in den vergangenen Monaten „mit zum Teil drastischen Preiserhöhungsforderungen von fast allen marktbeherrschenden Lieferanten, von denen wir abhängig sind, konfrontiert“. Aus den Jahresgesprächen wisse Edeka, dass viele dieser Forderungen nicht auf gestiegenen Kosten beruhten.
„Stattdessen wird der Verweis auf die allgemeine Inflation als willkommenes Argument genutzt, um die eigene Gewinnmarge – im Sinne der Aktionäre – zu verbessern“. Edeka werde dies nicht einfach akzeptieren. Im schlimmsten Fall – wenn sich Edeka nicht mit seinen Industriepartnern einigen könne – „auch auf den Verkauf einzelner Artikel verzichten“.
Auch beim Großhändler Metro verlangen die Lebensmittelkonzerne höhere Preise, sagte Metro-Chef Steffen Greubel jüngst. Die Lebensmittel-Preisinflation belaufe sich bei den Düsseldorfern auf rund fünf Prozent. Doch Metro könne damit umgehen – der Konzern verfüge über Erfahrung aus Hoch-Inflationsländern wie der Türkei.
Dabei könnten die Vebraucher in Europa angesichts des Preiskampfes aber noch besser dastehen als die Kunden auf anderen Kontinenten. Europa sei angesichts des hohen Wettbewerbsdrucks ein schwerer Markt, erklärte der Knorr-Hersteller Unilever jüngst. Dort könne Unilever die Preise nicht so anheben wie in anderen Teilen der Welt, räumte Finanzchef Graeme Pitkethly ein.
Kampf um Rendite – Harte Verhandlungen um Lebensmittelpreise
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