Rom/Berlin, 21. Jul (Reuters) – Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat am Donnerstag seinen Rücktritt bei Staatspräsident Sergio Mattarella eingereicht. Zuvor war seine Einheitsregierung in Rom zerbrochen, was das EU-Land in politische Turbulenzen stürzte und die Finanzmärkte erschütterte. Mattarellas Büro erklärte, dass das Staatsoberhaupt den Rücktritt zur Kenntnis genommen habe und Draghi gebeten habe, vorübergehend im Amt zu bleiben. Das weitere Vorgehen ist nun unklar. Der Präsident könnte das Parlament auflösen und vorgezogene Wahlen im Oktober ausrufen. Mattarella wollte sich noch am Donnerstagnachmittag mit den Sprechern der beiden Parlamentskammern treffen.
Die italienische Koalition war am Mittwoch zerbrochen, als drei von Draghis wichtigsten Partnern eine Vertrauensabstimmung ablehnten, die er einberufen hatte, um zu versuchen, die Spaltungen zu überwinden und ihr zerrissenes Bündnis zu erneuern. Die politische Krise hat die monatelangen Versuche zur Stabilität in Italien zunichtegemacht, zu der der ehemalige EZB-Chef Draghi auch mit einer in Rom kritisierten harten Reaktion der EU auf Russlands Einmarsch in der Ukraine beigetragen hatte. Das Ansehen des Landes an den Finanzmärkten hatte sich in seiner Amtszeit verbessert. Am Donnerstag gaben italienische Anleihen und Aktien stark nach.
Draghi selbst erntete bei einem kurzen Auftritt im Parlament am Donnerstag starken Beifall von Abgeordneten. „Sogar Zentralbanker sind manchmal gerührt“, scherzte er, als er die Ovationen entgegennahm.
„Dies ist ein schwerer Schlag für die Fähigkeit Italiens, in naher Zukunft politische Maßnahmen und Reformen durchzuführen“, sagte Lorenzo Codogno, Leiter von LC Macro Advisers und ehemaliger hoher Beamter des italienischen Finanzministeriums. „Es wird zu Verzögerungen und Unterbrechungen durch vorgezogene Wahlen kommen, und höchstwahrscheinlich wird es bis zum Jahresende keinen Haushalt geben.“
BRÜCHE IN DER KOALITION
Draghi hatte bereits letzte Woche seinen Rücktritt angeboten, nachdem einer seiner Partner – die populistische Fünf-Sterne-Bewegung – ihn bei einer Vertrauensabstimmung über Maßnahmen zur Bekämpfung der hohen Lebenshaltungskosten nicht unterstützt hatte. Mattarella hatte den Rücktritt zunächst abgelehnt. In einer Rede vor dem Senat hatte Draghi daraufhin am Mittwoch zur Einigkeit aufgerufen und eine Reihe von Problemen genannt, mit denen Italien konfrontiert ist – vom Krieg in der Ukraine über soziale Ungleichheit bis hin zu steigenden Preisen.
Die Fünf-Sterne-Bewegung blieb jedoch beim Entzug ihrer Unterstützung. Außerdem beschlossen die rechtsgerichteten Parteien Forza Italia und Lega der Abstimmung fernzubleiben, da sie eine Zusage von Draghi wollten, dass er bereit sei, eine neue Regierung auch ohne Fünf-Sterne-Bewegung und mit neuen politischen Prioritäten zu bilden. Dies wäre rechnerisch möglich nach den Kräfteverhältnissen im Parlament. Dass es in der Koalition und den Parteien gärte, zeigte auch die Tatsache, dass zwei Minister die vom früheren Regierungschef Silvio Berlusconi geführten Partei Forza Italia verließen. Die Rechtsparteien können nach Meinung von Beobachtern bei einer Neuwahl mit einem Stimmenzuwachs rechnen.
In Deutschland wurde Draghis Rücktritt mit Bedauern aufgenommen. SPD-Fraktionsvize Achim Post sprach von einem schweren Rückschlag für Italien und Europa insgesamt: „Mario Draghi war Garant für Stabilität, Fortschritt und die europäische Ausrichtung Italiens.“ Die Gefahren einer verschärften politischen Polarisierung und Destabilisierung Italiens seien nun groß. Er erwarte, dass CDU und CSU sowie die gesamte Europäische Volkspartei (EVP) ihren Einfluss auf ihre Schwesterpartei Forza Italia geltend machten, um zu verhindern, dass Berlusconi „weiterhin mit den rechtsextremen, faschistischen Parteien in Italien gemeinsame Sache“ mache.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde wollte sich nicht zur Lage in Italien äußern. Politische Angelegenheiten seien Sache der einzelnen Mitgliedsstaaten. Das gelte auch für Italien. Die EZB erhöhte am Donnerstag nicht nur die Zinsen, sie gab auch ein neues Krisenprogramm bekannt, mit dem sie hoch verschuldeten Staaten bei Turbulenzen am Anleihenmarkt beispringen kann.
Italiens Regierungschef Draghi reicht Rücktritt ein
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