Zürich/Frankfurt, 14. Feb (Reuters) – Nach dem enttäuschenden Jahresabschluss der Credit Suisse stellen sich die Anleger auf eine lange Durststrecke ein. Die Aktien, die am Vortag bereits 6,7 Prozent in Tiefe gerauscht waren, mussten am Freitag weiter Federn lassen. Inzwischen ist das Traditionsinstitut gerade noch 22 Milliarden Franken wert, das ist der halbe Jahresgewinn der US-Investmentbank JP Morgan. Aufgeschreckt von der Warnung von Konzernchef Thomas Gottstein, dass 2022 ein „Übergangsjahr“ werde, kürzte eine ganze Reihe von Analysten ihre Kursziele für die Aktien der Schweizer Großbank. „Es wird enorm Zeit brauchen, die Reputation nach all den Vorfällen wieder herzustellen“, sagt ein Fondsmanager.
Ein Fünf-Milliarden-Franken-Flop mit dem Kunden Archegos, mögliche Klagen von Anlegern in den Greensill-Fonds, Millionenbussen von Regulatoren, ein Geldwäsche-Strafverfahren und schlagzeilenträchtige Wechsel an der Konzernspitze; Credit Suisse eilt von Krise zu Krise. „Aus Investorensicht fällt bei Credit Suisse die lange Liste von Skandalen und Problemen auf“, erklärt Stefan Sauerschell, Renten-Fondsmanager bei Union Investment. „Man hat immer wieder gedacht, dass die Managementprozesse verbessert wurden, und dann kam der nächste Tiefschlag. Credit Suisse ist eine große Baustelle.“
Als Reaktion auf die Fehlschläge fuhr die Bank im vergangenen Jahr durchs Band die Risiken zurück. Die Folge: Die Erträge des Instituts stagnierten und Altlasten sorgten neben Archegos für einen Milliardenverlust. „Es fällt schwer, in diesen Ergebnissen etwas Positives zu finden“, erklärten die Citi-Analysten. Besonders enttäuschend war die Entwicklung im Kerngeschäft mit Millionären und Milliardären, wo die Bank lediglich rund elf Milliarden an neuem Geld einsammelte. Erzrivale UBS kam auf ein Vielfaches und ist in dem Geschäft inzwischen vier Mal größer. Einem Insider zufolge verzeichnete die Bank beträchtliche Abflüsse im Zusammenhang mit der Beendigung der Private-Banking- und Investment-Banking-Beziehungen zu der japanischen SoftBank und dessen Gründer Masayoshi Son, nachdem die beiden Seiten in Zusammenhang mit Greensill in Streit geraten waren.
Der Stimmrechtsberater Ethos kritisierte die Entscheidung des Instituts, die Untersuchung der Greensill-Affäre unter Verschluss zu halten. „Das die Bank den Bericht oder zumindest der wichtigsten Ergebnisse nicht veröffentlicht, lässt noch mehr Zweifel an der Führung aufkommen“, erklärte Ethos-Chef Vincent Kaufmann.
VERTRAUENSVORSCHUSS AUFGEBRAUCHT
„Sie befinden sich in einer sehr schwierigen Situation“, erklärte Vontobel-Analyst Andreas Venditti. Die Ratingagentur Moody’s zeigte sich besorgt, dass die spärlich fließenden neuen Gelder die Erträge in Zukunft schmälern könnten. Restrukturierungskosten und die höhere Gehälter, um Mitarbeiter zu halten, könnten den Ergebnissen ebenfalls zusetzen. „Sie müssen… sicherstellen, dass sie keine Leichen mehr im Keller haben“, sagte ein Analyst. „Sie haben sich selbst in eine Position gebracht, in der man ihnen keinen Vertrauensvorschuss mehr gibt.“
Auch Fondsmanager Sauerschell ist bei Credit Suisse bei der Auswahl der Wertpapiere vorsichtig. Ein Risiko seien Rating-Änderungen. „Falls Standard&Poor`s ihr Rating senken würde, wäre das für uns ein Signal, unsere Positionen weiter abzubauen“, erklärt der Experte von Union Investment. Die Kapitalquoten der Bank hätten gegenwärtig einen Puffer. „Es wäre eine Katastrophe, wenn es nochmals zu einem Milliardenverlust käme.“ Das könnte eine weitere Kapitalspritze notwendig machen. „Als eigenständiges Unternehmen wäre es für Credit Suisse schwierig, am Markt nochmals Kapital aufzunehmen.“
Investoren sehen bei Credit Suisse kein Licht am Ende des Tunnels
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