Berlin, 13. Jul (Reuters) – Die deutsche Industrie will sich im Falle eines akuten Gasmangels nicht hinten anstellen müssen. Die Priorisierung zugunsten von privaten Verbrauchern müsse dringend geändert werden, sagte der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Industriebetriebe müssen während einer etwaigen Alarmstufe vorrangig Gas erhalten, wenn ihr Bestand oder ihre Produktionsanlagen akut gefährdet sind oder sich infolge der Lieferketten massive Produktionsausfälle über den Betrieb hinaus ergeben würden.“
Hintergrund der Forderung sind Überlegungen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der die Industrie bei dauerhaft fehlenden Gasmengen nicht automatisch benachteiligen will. „Wir reden hier möglicherweise von einer monatelangen Unterbrechung von Gasströmen“, hatte der Grünen-Politiker am Dienstag in Wien gesagt. Da passten europäische Vorgaben nicht genau und müssten eventuell nachgeschärft werden. Zuerst sollen im Fall von Gasengpässen private Haushalte und die kritische Infrastruktur wie etwa Krankenhäuser versorgt werden. Industrie und andere Unternehmen hätten das Nachsehen. Dieses Szenario passe eher zu einem kurzfristigen Ausfall, nicht aber den jetzt drohenden Engpässen, so Habeck. „Niemand soll frieren.“ Private Haushalte müssten aber auch in die Pflicht genommen werden. Sonst werde es massive Folgen für die Industrie und die Gesamtwirtschaft geben.
Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte, es gehe nicht um eine Abschaltung oder eine Abschaltungsreihenfolge von privaten oder industriellen Gruppen. Vielmehr gehe es um Standards, etwa eine Senkung der Durchschnittstemperaturen. „Gas zu sparen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ Jeder sei angehalten, nach Möglichkeiten zu suchen, den Verbrauch zu senken.
Zur Rettung des angeschlagenen Energiekonzerns Uniper werden Experten zufolge auch die Gaskunden zur Kasse gebeten werden. „Die Regierung scheut sich, den Gasverbrauchern klar zum machen, wohin sich die Preise entwickelt haben und werden“, sagte Fondsmanager Thomas Deser von Union Investment der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Weitergabe der gestiegenen Kosten ist politischer Sprengstoff. Früher oder später kommt es aber ohnehin dazu.“
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sagte dem „Handelsblatt“, Bund und Länder müssten im Falle einer Gasnotlage gemeinsam die notwendigen Entscheidungen treffen. Sie sollten überparteilich verabredet werden.
Industrie will bei akutem Gasmangel prioritär bedient werden
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