Berlin, 14. Dez – Die deutsche Industrie kritisiert die geplanten Boni- und Dividenden-Einschränkungen für Unternehmen, die im Rahmen der Gas- und Strompreisbremsen in größerem Stil Staatshilfen in Anspruch nehmen. Die Regelungen gingen meilenweit an der Realität in Unternehmen vorbei, sagte der Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands VCI, Wolfgang Große Entrup, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. „Boni und Dividenden sind entweder feste Bestandteile von Arbeitsverträgen oder aber gerade in mittelständischen Unternehmen der Hauptbestandteil des Familieneinkommens. Ein Dividendenverbot schreckt zudem ausländische Investoren ab und ist ein handfestes Handicap im globalen Wettbewerb.“
In den parlamentarischen Beratungen hat sich die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP darauf verständigt, dass Unternehmen, die mehr als 25 Millionen Euro staatliche Unterstützung bekommen, vereinbarte Boni oder Dividenden nicht mehr erhöhen dürfen. Bei mehr als 50 Millionen Euro soll die Auszahlung ganz untersagt werden. Die Gesetzentwürfe zu den Preisbremsen – eine Reaktion auf die seit dem russischen Angriff auf die Ukraine deutlich teurer gewordene Energie – sollen am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden. Die Regelung könnte dazu führen, dass Unternehmen freiwillig auf die Hilfen verzichten, um den Vorgaben nicht unterworfen zu sein.
Investitionsstopps, Produktionsverlagerungen ins Ausland und Betriebsschließungen könnten die Folge sein, wenn sich die Preisbremsen als nicht wirksam entpuppten, sagte Große Entrup. „Wenn dieses Horrorszenario für den Standort Deutschland eintritt, trägt die Bundesregierung dafür die Verantwortung.“ Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Peter Adrian, rechnet damit, dass energieintensive Unternehmen zumindest teilweise auf die Hilfen verzichten und stattdessen die Produktion in Deutschland reduzieren. Das gehe in die falsche Richtung. „Denn es geht um eine Preisbremse für die Wirtschaft insgesamt, um unsere gesamte Wirtschafts- und Wertschöpfungsstruktur in Deutschland zu stabilisieren.“ Es gebe bereits ein enges Korsett, das nun noch enger geschnürt werde.
„Die Bundesregierung ist überzeugt davon, dass die Strom- und Gaspreisbremsen ein sehr gutes Angebot sind“, sagte ein Sprecher in Berlin. Er wolle nicht spekulieren, wie viele Firmen am Ende verzichteten. Die Regierung sei optimistisch, dass die Maßnahmen greifen würden. Es sei nicht das Ziel, bestimmte Firmen auszuklammern.
EVONIK-KONZERN BENÖTIGT HILFEN NICHT
Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums ergänzte, sollten einige Unternehmen die Hilfen nicht benötigen, sei dies auch in Ordnung. Das könnte beim Spezialchemiekonzern Evonik der Fall sein. „Nach heutigem Stand wird Evonik keine Mittel aus der Gaspreisbremse in Anspruch nehmen, weil wir keine benötigen“, so ein Sprecher. „Wir haben einen Teil unseres Gasbezugs über Hedging abgesichert und können die Situation aus eigener Kraft bewältigen.“
Der Zementkonzern Heidelberg Materials teilte mit, die finale Ausarbeitung noch im Detail zu prüfen und dann zu entscheiden, wie damit im nächsten Jahr umgegangen werde. Auch bei Thyssenkrupp wird noch geprüft, ob einzelne Unternehmen der Gruppe die Gaspreisbremse nutzen. Ähnlich äußerte sich der Chemiekonzern BASF.
Unternehmen, die mehr als zwei Millionen Euro Energiekostenzuschüsse erhalten, müssen sich zudem verpflichten, 90 Prozent der Arbeitsplätze bis April 2025 zu erhalten. Sonst müssen die Hilfen oberhalb dieser Schwelle zurückgezahlt werden. DIHK-Präsident Adrian sagte, Betriebe würden sich jetzt noch häufiger die Frage stellen, ob sie Standorte in Deutschland noch halten könnten.
Industrie kritisiert geplante Boni- und Dividenden-Begrenzungen
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Gabe Raggio auf Pixabay
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