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StartPolitikHintergrund: Warum Scholz bisher kein OK für eine Leopard-Lieferung gibt

Hintergrund: Warum Scholz bisher kein OK für eine Leopard-Lieferung gibt

Berlin, 20. Jan – Seit Tagen gibt es Druck aus der Ukraine und Polen, aber auch von Grünen, FDP und Union, dass Deutschland Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine liefern soll. Kanzler Olaf Scholz, der bei diesem Thema auf seine Richtlinienkompetenz pocht, hat jedoch auch am Freitag eine Entscheidung nicht getroffen. Die Haltung wird vielfach als zögerlich, ungerechtfertigt und unverständlich kritisiert. Ein Überblick über Argumente, die von Scholz und seiner SPD vorgebracht werden:

ABSTIMMUNG MIT DEN USA

Scholz beharrt darauf, dass eine enge Abstimmung vor allem mit den USA zwingend ist. Bei Mehrfachraketenwerfern und Schützenpanzern habe man daher gemeinsam Lieferungen entschieden. Ein Regierungssprecher dementierte, dass es ein „Junktim“ zur Lieferung von Abrams-Kampfpanzern der USA gebe. Aber es geht sehr wohl darum, dass man sich transatlantisch gemeinsam bei der Lieferung neuer Waffensysteme aneinander bindet – schon um Moskau kein falsches Signal zu senden. Denn nur die Supermacht USA könnten Europa im Fall einer Eskalation gegen Russland verteidigen, wird in Regierungskreisen betont. Die Kritik am Zögern müsse Deutschland dann eben aushalten, es gehe um eine Gesamtverantwortung für Europa. Einige EU-Staaten, die nicht so dächten wie Polen, versteckten sich aber auch hinter Deutschland.

SORGE VOR ESKALATION

US-Präsident Joe Biden und Scholz warnten beide vor einer Eskalation. Auf keinen Fall dürfe es zu einer Nato-Russland-Auseinandersetzung kommen, so sehr man der Ukraine im Widerstand gegen den russischen Überfall auch helfen wolle, heißt es in Regierungskreisen. Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew hatte am Donnerstag gedroht, dass eine russische Niederlage mit konventionellen Waffen zum Atomschlag führen werde. Dazu kommt, dass es offenbar in beiden Regierungen Sorge gibt, dass ein direktes Aufeinandertreffen amerikanischer oder deutscher Kampfpanzer mit russischen Panzern zu Propaganda-Zwecken missbraucht werden könnte – wobei man in Washington erkennbar den Schaden beim Leopard für geringer hält. 

BRAUCHT ES DEN LEOPARD?

Dem Argument mit der Verfügbarkeit von Leopard-Panzern wird nicht widersprochen. Allerdings gibt es zumindest Zweifel am US-Argument, dass der Abrams-Einsatz logistisch zu schwierig sei. Gleichzeitig werde der Abrams an Polen verkauft, wo bereits Instandsetzungskapazitäten geschaffen würden, heißt es. Es gibt zudem eine industriepolitische Konkurrenz zwischen dem Leopard und dem Abrams. Die noch im Frühjahr geäußerte Sorge, westliche Kampfpanzer und deren Technologie könnten Russland in die Hände fallen, ist weniger häufig zu hören – war aber eine Sorge sowohl in den USA als auch in Deutschland. Denn anders als Artillerie werden Panzer an vorderster Front eingesetzt. 

DAS SPIEL MIT DER ÖFFENTLICHKEIT

Immer wieder wird in der Regierung darauf verwiesen, dass auch andere Staaten in der Debatte innenpolitische Motive hätten. SPD-Chef Lars Klingbeil etwa verwies auf die deutschlandkritische Haltung der nationalkonservativen PiS-Regierung der Polen – der man gerade drei deutsche Patriot-Abwehrsysteme zum Schutz übergibt. „Die Ukraine hat uns gezeigt, wie man mit ‚public diplomacy‘ maximalen Druck erzeugt“, heißt es in der Regierung – was angesichts der dramatischen Lage ausdrücklich nicht als Kritik gemeint ist. „Nur müssen wir eben auch andere Abwägungen treffen als nur die ukrainische Sicht zu übernehmen.“

LEOPARD KEINE ROTE LINIE

Ausdrücklich wird betont, dass Scholz eine Leopard-Lieferung nie ausgeschlossen habe. Auch Klingbeil und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonten zuletzt, dass es „keine roten Linien“ gebe. Während Kritiker dies für vorgeschoben halten, wird in der SPD betont, dass es wirklich von den Umständen abhänge. „Im übrigen wird aber selten die Frage gestellt, was eigentlich nach den Panzern kommen soll“, heißt es in Regierungskreisen. „Ein Gamechanger im Krieg wäre er wohl nicht.“ Gegen russische Luftangriffe etwa würden sie nicht helfen – und gerade bei der Luftabwehr sei Deutschland einer der führenden Lieferanten, was gerne unterschlagen werde. Zudem wurde mehrfach angedeutet, dass sich Deutschland wohl nicht dagegen stellen würde, wenn andere Länder wirklich ihre Leopards liefern wollen. Nur gebe es gar keinen Exportantrag etwa aus Polen, betont die Regierung. 

SCHIEFE WAHRNEHMUNG – WER TUT WAS?

Für wachsende Verärgerung sorgt in der Regierung ohnehin, dass die Militärleistungen verschiedener Staaten völlig unterschiedlich diskutiert werden. Scholz betonte mehrfach, dass Deutschland mittlerweile der zweit- oder drittwichtigste Waffenlieferant sei, was auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lobt. Es gebe eine zu starke Fixierung auf das eine Waffensystem Leopard – während nicht gefragt werde, was eigentlich Frankreich, Italien oder andere Nato-Staaten bisher wirklich schon geliefert hätten.

FAKTOR SPD UND FAKTOR UMFRAGEN

Es gibt auch innenpolitische Gründe für die Entwicklung. In der SPD-Fraktion ist die Stimmung – anders als bei Grünen und FDP – bei dem Thema zurückhaltender. „Zwar würde die SPD-Bundestagsfraktion am Ende auch ihr OK zu einer Leopard-Lieferung geben“, heißt es in der Koalition mit Verweis auf Mützenich. Aber Scholz bekäme Probleme, wenn er zu schnell zu weit voranpresche, heißt es in der Fraktion.

Dazu kommt eine große Zurückhaltung in den Umfragen. Anders als bei Grünen, FDP und einigen Experten gibt es laut Umfragen in Deutschland bisher keine Mehrheit für eine Leopard-Lieferung. Im RTL/ntv-Trendbarometer befürwortete dies nur gut ein Drittel, im ZDF-Politbarometer sind es 42 Prozent, beim ARD-Deutschlandtrend 46 Prozent. In der Regierung wird mahnend darauf verwiesen, dass man die Bevölkerung bei jedem Schritt mitnehmen müsse, weil man einen längeren Krieg und damit eine lange nötige Unterstützung für die Ukraine erwartet.

Hintergrund: Warum Scholz bisher kein OK für eine Leopard-Lieferung gibt

Quelle: Reuters

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