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Hintergrund: Die Ermittlungen gegen Kriegsverbrechen in der Ukraine

Den Haag, 24. Feb – Mehr als 70.000 mutmaßliche Kriegsverbrechen wurden seit der russischen Invasion in der Ukraine gemeldet. Ukrainischen und westlichen Behörden zufolge gibt es Beweise für Mord, Hinrichtungen, Angriffe auf die zivile Infrastruktur, Verschleppungen, unrechtmäßige Inhaftierungen, Kindesentführung, Folter und sexuelle Gewalt. Russland hat wiederholt dementiert, Gräueltaten begangen und Zivilisten angegriffen zu haben. Mutmaßliche Kriegsverbrechen vor ein Kriegsgericht zu bringen, ist nicht so einfach. Es bedarf nicht nur stichhaltiger Beweise. Unterschiedliche Rechtssysteme – national und international – erschweren die Lage oft zusätzlich. 

WER ERMITTELT BEI KRIEGSVERBRECHEN IN DER UKRAINE?

Ukrainische Ermittler arbeiten mit mobilen Teams aus Juristen zusammen. Unterstützt werden sie von internationalen Rechtsexperten und Rechtsmedizinern. Seit Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 untersuchen sie mutmaßliche Verletzungen internationalen Rechts, hauptsächlich im Süden und Osten der Ukraine, wo Land zurückerobert wurde. Örtliche Gerichte konzentrieren sich auf Verbrechen, die unmittelbar begangen wurden. Bislang sind 26 Verdächtige vor Gericht gekommen und wegen Vergewaltigung, Mord, Bombardierung von Wohninfrastruktur, Grausamkeit oder Plünderungen verurteilt worden. 276 Personen wurden eines Kriegsverbrechens angeklagt.

Schwieriger wird es, die Befehlsgeber zur Rechenschaft zu ziehen. Das dürfte Experten zufolge Jahre dauern. Beweise würden zusammengetragen. 

WAS KANN DER INTERNATIONALE STRAFGERICHTSHOF TUN?

Kriegsverbrechen können entweder vor ukrainischen Gerichten, internationalen Tribunalen oder nationalen Behörden, die dem Weltrechtsgrundsatz unterliegen, strafrechtlich verfolgt werden. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag befasst sich mit Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Er konzentriert sich dabei auf Verdächtige mit hoher Bekanntheit. Chefankläger des Strafgerichtshofs ist Karim Khan. Er ermittelt seit dem vergangenen Jahr wegen möglicher Kriegsverbrechen in der Ukraine und war seitdem drei Mal in dem Land, unter anderem in der Region Kiew, wo es in Butscha ein Massaker gegeben haben soll. Bislang hat der Strafgerichtshof keine Haftbefehle öffentlich gemacht. Das wäre der erste Schritt hin zu einem Prozess. 

Aus früheren Verfahren wird deutlich, dass es schwierig ist, hochrangige Vertreter zur Rechenschaft zu ziehen. In mehr als 20 Jahren gab es lediglich fünf Verurteilungen wegen sogenannter Kernverbrechen. Bei keinem der Verurteilten handelt es sich um oberste Vertreter eines Machtapparats.

WELCHE ANDEREN MÖGLICHKEITEN GIBT ES?

Die Europäische Union hat vor kurzem angekündigt, ein Internationales Zentrum zur Verfolgung von Aggressionsverbrechen in der Ukraine aufzubauen. Es soll der Europäischen Union für strafrechtliche Zusammenarbeit (Eurojust) unterstehen, die ebenfalls in Den Haag sitzt. Die Definition für Kriegsverbrechen wird entweder national oder international festgelegt. Der Internationale Strafgerichtshof setzt beispielsweise höhere Maßstäbe an als das ukrainische Gesetz. Er beteiligt sich an einem Ermittlungsteam von Litauen, Polen, Lettland, Estland, der Slowakei, Rumänien und der Ukraine selbst. 

Zusätzlich trägt auch eine unabhängige, internationale Kommission der Vereinten Nationen Beweise über mögliche Kriegsverbrechen in der Ukraine zusammen. Dies könnte die Daten, die bei Eurojust gesammelt und zur Verfügung gestellt werden, unterstützen.

WAS VERSTEHT MAN UNTER VERBRECHEN DER AGGRESSION?

Als Verbrechen der Aggression wird unter anderem die Invasion in ein anderes unabhängiges Land verstanden. Auch der Versuch, politisch oder militärisch die Kontrolle über einen anderen Staat erlangen zu wollen, fällt darunter. „Krieg ist ein Verbrechen, aber kein Kriegsverbrechen“, sagt Astrid Reisinger Coracini, Gelehrtin für Internationales Recht an der Universität Wien. Deshalb plädieren einige Staaten wie die USA und die Europäische Union für ein Tribunal, um Russland für seine Taten im Krieg gegen die Ukraine zur Rechenschaft ziehen zu können. Überlicherweise genießen Staats- und Regierungschefs sowie Außenminister Immunität. Um Russlands Präsident Wladimir Putin wegen Verbrechen der Aggression verklagen zu können, braucht es Reisinger Coracini zufolge ein neues internationales Tribunal auf Basis eines internationalen Abkommens.

Hintergrund: Die Ermittlungen gegen Kriegsverbrechen in der Ukraine

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von Frits de Jong auf Pixabay

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