Mit dem Vorschlag für eine Verordnung über europäische grüne Anleihen („Vorschlag“) hat die Europäische Kommission einen Schritt zur Weiterverfolgung der ökologischen nachhaltigen Ziele der EU getan.
Der Vorschlag ist Teil der umfassenden Agenda der Europäischen Kommission für ein nachhaltiges Finanzwesen. Mit dem Vorschlag hat die Kommission unter anderem die Schaffung einer ersten Grundlage für ein gemeinsames Regelwerk zur Verwendung der Bezeichnung des Begriffes der „europäischen grünen Anleihe“ (European Green Bonds Standard, EUGBS) geliefert.
Die geplante Verordnung soll für Anleihen genutzt werden, mit denen ökologisch nachhaltige Ziele im Sinne der Taxonomie-Verordnung (VO Verordnung (EU) 2020/852 1) verfolgt werden. Solche nachhaltigen Ziele können zum Beispiel die Förderung von Klimaschutz oder der Schutz von Wasserressourcen sein. Außerdem soll die Weiterentwicklung des Marktes für grüne Anleihen erleichtert werden und das Risiko von „Greenwashing“ verringert werden.
Die Bezeichnung der „europäischen grünen Anleihe“ soll dabei allen Emittenten innerhalb und außerhalb der EU zur Verfügung stehen. Die erste Anwendung des neuen Standards soll ab 2024 möglich sein.
Zweck der neuen Verordnung ist es, zum einen, Anleger besser in die Lage zu versetzen, grüne Anleihen zu erkennen. Zum anderen soll aber auch die Emission grüner Anleihen erleichtert werden. Darüber hinaus ist mithilfe eines freiwilligen Registrierungs- und Beaufsichtigungssytems geplant das Verfahren der externen Bewertung zu standardisieren.
Vorgesehen ist, dass Emittenten von EUGBS die durch sie generierten Erlöse nur der Finanzierung zulässiger Anlagegüter, zulässiger Ausgaben, zulässiger finanzieller Vermögenswerte oder einer Kombination aus diesen zuweisen dürfen (vgl. Art. 4 des Vorschlags). Dabei dürfen die Kosten nicht von den vereinnahmten Erlösen abgezogen werden.
Die Verwendung der Erlöse muss darüber hinaus mit den Anforderungen für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten gemäß Artikel 3 der VO (EU) 2020/852 übereinstimmen. Damit müssen die Erlöse also einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer der Umweltziele des Art. 9 der VO (EU) 2020/852 leisten.
Dazu gehören insbesondere die Förderung von Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, der Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Überdies darf die Verwendung der Anleiheerlöse keine erhebliche Beeinträchtigung dieser Umweltziele darstellen (vgl. zu den vollständigen Voraussetzungen: Art. 6 des Vorschlags).
Aufgrund des zu erwartenden technologischen Fortschritts im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit werden delegierte Rechtsakte, die nach der VO (EU) 2020/852 erlassen werden, wahrscheinlich mit der Zeit überarbeitet und geändert werden müssen. Daher wird in Art. 7 des Vorschlags festgelegt, welche der in Art. 4 bis 6 genannten Taxonomie-Anforderungen von Emittenten anzuwenden sind.
Emittenten der grünen Anleihen sind verpflichtet, jährlich einen Bericht über die vollständige Verwendung der Erlöse anhand eines Musters im Anhang des Vorschlags zu erstellen (vgl. Art. 9, Anhang II des Vorschlags). Dadurch sollen vor allem die Anleger kosteneffizient auf verlässliche Informationen über europäische grüne Anleihen zugreifen können.
Um sicherzustellen, dass die Anleihen tatsächlich „grün“ sind, schafft die Verordnung eine Regelung für externe Prüfer („Bewerter“). Diese Bewerter prüfen die grünen Anleihen im Detail und bestätigen den Anlegern gegebenenfalls die Umweltfreundlichkeit der Anleihen. Emittenten von EUGBS, sind verpflichtet, solche Prüfer zu verschiedenen Zeitpunkten während des Lebenszyklus der Anleihe zu beauftragen und so unter anderem die Übereinstimmung der finanzierten Projekte mit der Taxonomie-Verordnung zu überprüfen (vgl. u.a. Art. 8, Art. 9 des Vorschlags).
Die Bewerter haben sich bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zu registrieren und müssen ihre Qualifikation, Erfahrung, die korrekte Aufbewahrung von Aufzeichnungen, Einhaltung der Transparenz und den korrekten Umgang mit Interessenkonflikten nachweisen (vgl. Titel III des Vorschlags).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Regelung für grüne Anleihen begrüßenswert ist. Gerade mit Blick auf das anhaltende Wachstum des Markts für grüne Anleihen und seiner Bedeutung bei der Finanzierung von Vorhaben zur Verwirklichung des Pariser Klima-Abkommens, scheint es förderlich nun auch einen europäischen Standard zu schaffen. Insbesondere, wenn dieser zur Stärkung des Finanzplatzes Europa beitragen kann.
Es erscheint wahrscheinlich, dass einige Mitgliedstaaten die Einführung von Standards oder die Festlegung von Leitlinien auf nationaler Ebene in Erwägung ziehen und so auch die Einbindung auf nationaler Ebene verstärken. Zwar wird innerhalb des Vorschlags die „strenge“ Freiwilligkeit der Umsetzung betont, es bleibt dennoch abzuwarten, ob nicht durch den starken Erwartungsdruck und eine starke Nachfrage auf dem Markt ein faktischer Verwendungszwang geschaffen wird.
Autor
Dr. Christian Conreder ist Rechtsanwalt und Partner bei Rödl & Partner und leitet den Bereich Kapitalanlagerecht. Der Schwerpunkt seiner anwaltlichen Tätigkeit liegt im Bank- und Kapitalmarktrecht, namentlich in den Bereichen des Kapitalanlagerechts. Weiterhin ist er auf das Zahlungsverkehrsrecht spezialisiert.
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