Frankfurt, 28. Okt – Die Europäische Zentralbank (EZB) darf aus Sicht mehrerer Währungshüter trotz zunehmender Rezessionssorgen von ihrem Zinserhöhungskurs nicht abkehren. Einen Tag nach dem abermaligen Jumbo-Zinsschritt der EZB wiesen Euro-Wächter vor allem auf den anhaltenden Inflationsschub hin. „Das Problem ist, dass sich Inflationsrisiken ausbreiten, und es besteht die Gefahr, dass sie sich festsetzen“, begründete der slowakische Notenbankchef Peter Kazimir am Freitag seine Einschätzung. Seinem EZB-Ratskollegen Gediminas Simkus aus Litauen zufolge ist deshalb eine weitere Straffung der Geldpolitik notwendig, wie er am Freitag in Vilnius sagte. Kazimir erwartet, dass die Zinssätze im Dezember und auch in den ersten Monaten des nächsten Jahres weiter ansteigen.
Die EZB hatte am Vortag in einem erneuten Jumbo-Zinsschritt die Schlüsselsätze wie schon im September um 0,75 Prozentpunkte erhöht. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz liegt damit bei 1,50 Prozent. EZB-Chefin Christine Lagarde stellte nach dem Zinsbeschluss zudem weitere Zinsanhebungen in Aussicht. Kritik von politischer Seite, die EZB führe mit ihrem Kurs die Euro-Zone in eine Rezession, wies sie zurück. Eine Zentralbank müsse sich auf Preisstabilität konzentrieren, entgegnete sie.
NOCH HÖHERE INFLATIONSERWARTUNGEN
Simkus zufolge müssen die Inflationsprognosen der EZB möglicherweise nochmals erhöht werden. „Es scheint, dass sie wieder nach oben korrigiert werden, insbesondere für das nächste Jahr,“ führte er aus. Bislang rechnen EZB-Volkswirte für 2023 mit einer Rate von 5,5 Prozent. Neue EZB-Projektionen werden zur Dezember-Zinssitzung erwartet. Volkswirte, die die EZB-Geldpolitik regelmäßig verfolgen, haben ihre Prognosen bereits heraufgeschraubt. Sie erwarten nach einer Umfrage der EZB nun für 2023 eine Rate von 5,8 Prozent. In der Juli-Umfrage hatten sie noch 3,6 Prozent vorhergesagt. Für das laufende Jahr erhöhten sie ihre Prognose auf 8,3 von zuletzt 7,3 Prozent.
Frankreichs Notenbank-Chef Francois Villeroy de Galhau zufolge müssen die nächsten Zinsschritte der EZB nicht unbedingt erneut Jumbo-Schritte sein wie im September und jetzt am Donnerstag. Bei den Erhöhungen werde die EZB flexibel sein, sagte er am Freitag in einem auf dem Finanzportal Boursorama veröffentlichten Webcast. Seiner Einschätzung nach wird die EZB die Inflation in den nächsten zwei bis drei Jahren auf zwei Prozent zurückführen. Das ist die Zielmarke der EZB, die sie als optimal für die Wirtschaft erachtet. Davon ist sie aber aktuell weit entfernt: Im September lag die Teuerung im Euro-Raum mit 9,9 Prozent fast fünfmal so hoch. Eine erste Schätzung für Oktober wird das europäische Statistikamt Eurostat am Montag veröffentlichen.
An den Finanzmärkten wird derzeit damit gerechnet, dass die EZB im Dezember die Zinsen um 0,50 Prozentpunkte anheben wird. Der Zinsgipfel beim Einlagensatz wird im nächsten Jahr bei 2,7 Prozent gesehen. Noch vor ein paar Tagen hatte die Erwartung bei einem Niveau von 3,0 Prozent gelegen.
EZB-Währungshüter für weitere Zinserhöhungen
Quelle: Reuters
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