Frankfurt, 10. Dez – Die EZB wird auf ihrer Zinssitzung am Donnerstag aus Sicht vieler Experten wohl auf eine weniger aggressive Gangart umschalten und sich von Mammut-Zinserhöhungen verabschieden. Denn zuletzt hatte sich der Inflationsschub im Euro-Raum merklich abgeschwächt. Die Verbraucherpreise waren im November nicht mehr ganz so rasant gestiegen.
Das schürt Hoffnungen, dass der Inflationshöhepunkt womöglich erreicht ist. Die meisten Volkswirte gehen deshalb davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) auf dem Zinstreffen am 15. Dezember die Schlüsselzinsen nur noch um 0,50 Prozentpunkte anheben wird. Noch im Oktober und September hatte sie die Sätze jeweils in Jumbo-Schritten um 0,75 Prozentpunkte nach oben gesetzt.
Die europäischen Währungshüter ließen keine Zweifel darüber aufkommen, dass man sich weiter entschlossen gegen die unerwünscht hohe Inflation stemmen werde, meint DZ-Bank-Analyst Christian Reicherter. „Zugleich sind aber Hinweise auszumachen, welche auf eine Drosselung des Zinserhöhungstempo hindeuten“, führte er aus. So wachse bei den Währungshütern allmählich die Zuversicht, wonach das Schlimmste des Inflationsschubs bereits überstanden sein könnte. Reicherter rechnet mit einer Zinsanhebung um 0,50 Prozentpunkte. Der Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von den Währungshütern erhalten, würde dadurch auf 2,0 Prozent steigen, der Leitzins auf 2,50 Prozent.
Die Inflationsrate im Euro-Raum hatte sich im November auf 10,0 von 10,6 Prozent im Oktober verringert – es war der erste Rückgang seit Mitte 2021. Und auch die Produzentenpreise in der Industrie stiegen zuletzt deutlich weniger rasant. Sie erhöhten sich im Oktober nur noch um 30,8 Prozent. Im September hatte das Plus noch bei 41,9 Prozent gelegen. EZB-Chefökonom Philip Lane hatte unlängst gesagt, er sei einigernaßen zuversichtlich, dass die Inflation wahrscheinlich nahe dem Gipfelpunkt sei.
„Für ein geringeres Zinserhöhungstempo sprechen auch die aktualisierten Inflationsprojektionen der EZB“, sagt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Zur Zinssitzung liegen den Währungshütern neue Konjunkturprognosen der EZB-Volkswirte zu Inflation und Wirtschaftswachstum vor. Die Inflationsprognosen würden am aktuellen Rand zwar erneut angehoben, mittelfristig aber praktisch unverändert bleiben. Krämer rechnet damit, dass die dann erstmals veröffentlichte Prognose zur Inflation 2025 sogar unter der Schwelle von zwei Prozent bei 1,8 Prozent liegen wird. Die EZB strebt mittelfristig zwei Prozent Inflation als Optimalwert für die Wirtschaft im Euro-Raum an. Die Tür für weitere Zinserhöhungen dürfte sich die EZB am Donnerstag den Experten zufolge offen halten.
NOTENBANK-BILANZ SOLL SCHRUMPFEN
Mit Spannung wird am Finanzmarkt zudem erwartet, was die EZB zum geplanten Bilanzabbau – in der Fachwelt quantitative Straffung oder kurz QT genannt – beschließen wird. Durch die jahrelangen Anleihenkäufe ist die EZB-Bilanz inzwischen auf rund 8,5 Billionen Euro angeschwollen – rund fünf Billionen Euro entfallen auf Bestände an aufgekauften Staatsanleihen und anderen Bonds. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte bereits in Aussicht gestellt, dass die Notenbank auf der Zinssitzung dazu wichtige Weichen stellen wird. Der Bilanzabbau soll aus ihrer Sicht maßvoll und vorhersehbar gestaltet werden.
Dabei hat die EZB zunächst die Anleihen-Bestände im Volumen von 3,3 Billionen Euro aus dem eingestellten Kaufprogramm APP im Blick, mit dem sie ab 2015 die Konjunktur und die Inflation anschieben wollte. EZB-Vizechef Luis des Guindos hatte sich für ein passives Vorgehen ausgesprochen, bei dem die EZB auslaufende Anleihen nicht mehr im Bestand ersetzt, wie es gegenwärtig noch der Fall ist.
Die Bondbestände würden dadurch passiv abgeschmolzen. „Angesichts des größeren Risikos einer Fragmentierung der Euro-Märkte erwarten wir in unserem Basisszenario, dass die EZB auf die Option aktiver Verkäufe verzichtet“, meinen auch die Volkswirte der Deutschen Bank. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte sich für einen Start von QT im ersten Quartal 2023 ausgesprochen. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte gehen davon aus, dass die Euro-Wächter 2023 ihre Bondbestände um 175 Milliarden Euro abbauen werden.
EZB dürfte zum Jahreswechsel Zinserhöhungstempo etwas drosseln
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Bruno /Germany auf Pixabay
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