Frankfurt, 18. Okt – Das Einstampfen der umstrittenen Steuerpläne in Großbritannien hält die Anleger in Europa weiter in Kauflaune. Dax und EuroStoxx50 zogen am Dienstag um jeweils rund 1,7 Prozent auf 12.875 und 3501 Punkte an. An der Wall Street deuteten die US-Futures ebenfalls auf einen freundlichen Handelsstart hin. „Nachdem die britische Regierung die hart kritisierten Steuerpläne auf Eis gelegt hat, haben sich die Finanzmärkte beruhigt“, sagte Christian Henke, Analyst beim Broker IG.
In einer Aufsehen erregenden Kehrtwende hatte der erst seit Freitag amtierende Finanzminister Jeremy Hunt zum Wochenstart die umstrittenen Steuerpläne seines Vorgängers Kwasi Kwarteng und von Premierministerin Liz Truss kassiert. Die Erleichterung über das Streichen der schuldenfinanzierten Steuersenkungen ließ weltweit die Anleger wieder an die Aktienmärkte zurückkehren. „Aus unserer Sicht hat die britische Regierung die politische Initiative im Wesentlichen auf die Bank of England zurückverlagert und den Eindruck beseitigt, dass die beiden im Widerspruch zueinander stehen“, konstatierten die Analysten von Jefferies.
Befeuert wurde die gute Stimmung am Dienstag zunächst auch durch die „Financial Times“, die unter Berufung auf nicht genannte Führungskräfte der Bank of England berichtete, dass die britische Notenbank die im Zuge ihrer strafferen Geldpolitik geplanten Anleihenverkäufe wahrscheinlich weiter aufschieben werde. Ein Sprecher der Zentralbank bezeichnete den Bericht allerdings als „unzutreffend“.
PFUND GIBT ERNEUT NACH
Das Pfund gab nach dem Dementi der BoE anfängliche Gewinne wieder ab und büßte bis zu 0,9 Prozent auf 1,1253 Dollar ein. „Selbst im optimistischsten Szenario, in dem der Markt der Regierung wie auch der Bank of England die jüngste Haushaltkrise verzeiht – wovon nicht auszugehen ist-, sind die Aussichten für das Pfund nicht rosig“, sagte Commerzbank-Analystin Thu Lan Nguyen. Es könnten schnell Zweifel aufkommen, ob die Bank of England tatsächlich an ihrer restriktiven Geldpolitik festhalten werde, sollte die Wirtschaft in eine deutlich tiefere Rezession fallen als bislang angenommen.
Die Renditen der zehnjährigen britischen Staatsanleihen zeigten sich weiter volatil und bewegten sich um die Marke von vier Prozent, nachdem sie am Montag um 35 Basispunkte gesunken waren. Die Rendite der zehnjährigen Bundestitel lag am Nachmittag stabil bei 2,270 Prozent, nachdem sie am Montag um neun Basispunkte gesunken war.
KANZLER-MACHTWORT RÜCKT AKW-BETREIBER IN DEN FOKUS
Bei den Einzelwerten rückte unterdessen das Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz zum Weiterbetrieb der Atomkraftwerke bis längstens zum 15. April 2023 die Energiekonzerne RWE und E.ON in den Fokus. Die Anteilsscheine von RWE zogen in der Spitze knapp drei Prozent an, E.ON-Aktien verteuerten sich um bis zu 2,2 Prozent. RWE will nun rasch alle Vorbereitungen treffen, um einen Betrieb des AKW Emsland bis 15. April zu ermöglichen. „Es sind noch einige Fragen offen, aber es ist zumindest ein erster positiver Schritt“, sagte ein Händler. Auch für E.ON sei es positiv, wenn die Anlagen nicht nur im Reservemodus betrieben würden.
Einen Kurssprung von bis zu 13 Prozent an die Spitze des SDax legte Pfeiffer Vacuum hin. Der Vakuumpumpenhersteller profitierte von einer angehobenen Umsatzprognose für das Gesamtjahr sowie einem zweistelligen Zuwachs beim Umsatz und Ergebnis in den ersten neun Monaten. „Höhere Umsätze und ein stabiler Margenausblick sollten der angeschlagenen Aktie helfen“, sagt ein Aktienhändler.
Gegen den Trend setzte der britische Baukonzern Bellway mit seiner Warnung vor einer abnehmenden Nachfrage angesichts steigender Hypothekenzinsen die Branche weiter unter Druck. Die Anteilsscheine von Bellway gaben rund drei Prozent nach. Auch die Aktien des größten britischen Hausbauers Barratt büßten 1,5 Prozent ein. Die Inflation treibt die Baukosten nach oben; zugleich sinkt die Kaufkraft der Hauskäufer durch steigende Zinssätze.
Europas Anleger treiben Erleichterungsrally weiter voran
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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