Frankfurt, 23. Aug – Die zunehmende Angst vor einer Rezession angesichts der galoppierenden Gaspreise hält die Anleger in Europa weiter in Atem. Vor dem Winter nehme wieder die Furcht vor einer Energiekrise zu, sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. „Moskau hat die Hände am Gashahn und entscheidet somit über die weitere Entwicklung an den Aktienmärkten.“ Dax und EuroStoxx50 legten am Dienstag einen Zick-Zack-Kurs hin und notierten am Dienstagnachmittag wenig verändert bei 13.240 und 3658 Zählern. Nach dem Ausverkauf an der Wall Street zum Wochenstart deuteten die US-Futures auf einen etwas stabileren Handelsstart hin.
Der Euro fiel dagegen auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren und richtete sich unter der Parität zum Dollar ein. Im Juli hatte die drohende Rezession in der Euro-Zone und der wachsende Zinsabstand zu den USA den Kurs des Euro erstmals seit 2002 unter einen Dollar rutschen lassen.
„Natürlich ist der gestrige Anstieg der Gaspreise eine rundum schlechte Nachricht“, sagte Kenneth Broux, Währungsstratege bei Societe Generale. Die Furcht vor Engpässen hatte den Gaspreis zum Wochenstart weiter nach oben getrieben. Der europäische Future erreichte den Rekordwert von 292,50 Euro je Megawattstunde. Am Dienstag gab er fünf Prozent auf 264 Euro nach.
Die durchschnittlichen Gaspreise in der Europäischen Union haben sich in nur einem Monat verdoppelt und liegen nun 14 mal höher als der Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre. Für Nervosität sorgte die Ankündigung des russischen Exporteurs Gazprom vom Freitag, Deutschland werde zum Monatswechsel erneut vorübergehend kein Gas durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 erhalten. „In Anbetracht der aktuellen Stimmung gibt es offensichtlich Bedenken, ob es sich um drei Tage oder drei Jahre handeln wird“, sagte Ray Attrill, Devisenstratege bei der National Australia Bank.
GEGENWIND FÜR UNTERNEHMEN
Angesichts der hohen Energiepreise sowie des Lohndrucks, der Materialengpässe, der Lieferkettenprobleme, dem Mangel an Facharbeitern und einer schwächeren Weltwirtschaft wehe den Unternehmen viel Gegenwind entgegen, sagte Commerzbank-Analystin Antje Praefcke. Dies machte sich auch bei den am Markt stark beachteten Einkaufsmanagerindizes bemerkbar.
Die deutsche Wirtschaft schrumpfte im August wegen der hohen Inflation und steigender Zinsen so stark wie seit den Anfängen der Corona-Pandemie vor über zwei Jahren nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft – Industrie und Service-Sektor zusammen – sank um 0,5 auf 47,6 Punkte. Damit liegt das Barometer deutlich unter der Marke von 50, ab der es Wachstum signalisiert. Ökonomen hatten im Vorfeld aber mit einem etwas stärkeren Rückgang auf 47,4 Stellen gerechnet, weshalb die Zahlen an den Aktienmärkten vorübergehend für Kaufimpulse sorgten. Auch in der Euro-Zone war die Wirtschaft den zweiten Monat in Folge im Rückwärtsgang. Das lässt nach Ansicht vieler Experten eine Rezession im Winterhalbjahr immer wahrscheinlicher werden.
Bei den Einzelwerten zogen die Anteilsscheine von TAG Immobilien rund drei Prozent an. Höhere Mieten und sinkende Leerstände haben der Immobilienfirma zuletzt die Kassen gefüllt und das für die Branche wichtige operative Ergebnis aus dem Vermietungsgeschäft (FFO 1) steigen lassen. Die Analysten vom Finanzhaus Berenberg wiesen vor allem auf solide Fortschritte beim Abbau von Leerständen im ersten Halbjahr hin.
Nach der vorangegangenen Talfahrt legte auch der Energieversorger UniperUN01.DE mehr als zwei Prozent zu. Das wegen der Gaskrise taumelnde Unternehmen hatte angekündigt, in seinem Steinkohlekraftwerk Heyden 4 mit der Stromproduktion für den Markt zu beginnen. Dies soll zur Sicherstellung der Energieversorgung beitragen.
Europas Aktienmärkte fest im Griff der Energiekrise
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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